Beim als Opal-Station umschriebenen Gebilde handelt sich um einen bislang noch nie beobachteten Typ im »Fuhrpark« der Terminalen Kolonne TRAITOR. Die Form erinnert an eine entspannt geöffnete Klaue mit drei »Krallenfingern« und einem kürzeren »Daumen« – insgesamt von beachtlicher Größe, immerhin liegt der größte Durchmesser bei fast zwanzig Kilometern. Die äußere Erscheinung ähnelt der von irdischem Feueropal, mit einer bläulich weißen, fast transparent wirkenden »Opaleszenz«. Im Stationsinneren lassen sich bei näherer Betrachtung allerdings millionenfach vielfarbige Einsprengsel erkennen, die für den »opalisierenden« Effekt sorgen.
Die nähere Erkundung erweist sich als heikle Angelegenheit, weil zahlreiche Korridore der Opal-Station im wahrsten Sinn des Wortes nirgendwohin führen und in gestaltlosem Wallen enden – umso mehr, je weiter in die Station eingedrungen wird. Es wird angenommen, dass diese »Hyperkorridore« Verbindungen in fremde Dimensionen herstellen und ein beträchtlicher Teil der Station möglicherweise sogar im Hyperraum eingelagert ist.
Im weiteren Verlauf der Untersuchung stellt sich heraus, dass die Opal-Station ein Raum-Zeit-Router ist und die Bezeichnung aRUX-7076 trägt. Ganz offensichtlich hat sie die UHF-Eruptionen des Kosmischen Messengers mit den Leuchtfeuern im Sektor D-MODA verwechselt; statt das angestrebte Ziel zu erreichen, erfolgte die Materialisation in kurzer Entfernung zu dem »randalierenden« Messenger, so dass es zur Havarie kam.
Von Mondra Diamond, die auf die Erinnerungen von Kintradim Crux zurückgreifen kann, erfahren wir, dass der verstorbene Architekt des Chaotenders ZENTAPHER seinerzeit mit einem vergleichbaren Raum-Zeit-Router namens eMox-3370 zu tun hatte. Im Randbereich einer Negasphäre brauchen die »konventionell« bestückten Schiffe der Chaotarchen spezielle Hilfsmittel, um sich zu orientieren und operieren zu können.
Als vor rund 100 Millionen Jahren das Kosmonukleotid TRIICLE-9 mutierte und von seinem »angestammten Platz« verschwand, entstand jene Negasphäre, die für sehr lange Zeit das Machtmittel der Mächte des Chaos gewesen war. Obwohl nicht exakt mit dem »Ankerpunkt« des Kosmonukleotids identisch, sondern rund 300.000 Lichtjahre von diesem entfernt und im Kern auf einen Durchmesser von etwa 26.000 Lichtjahren »beschränkt«, stellte diese »Zone des Chaos« eine Bedrohung der benachbarten Kosmonukleotide und des Moralischen Kodes als Ganzes dar. Darüber hinaus war sie beispielsweise Herkunftsort der Nekrophoren, von Teilen der Chaotender und nicht zuletzt Aufenthaltsbereich für den aus den V’Aupertir entstandenen Herrn der Elemente selbst. (PRK 2342)
Erst nach der Rückkehr von TRIICLE-9 an seinen ursprünglichen Standort im Jahr 429 NGZ kam es wieder zur Informationsübertragung durch die Messenger, das Chaos wich den ordnenden Kräften – gleichbedeutend mit dem Ende der Negasphäre.
Der Aufmarsch der Raum-Zeit-Router im Randgebiet von Hangay bedeutet demnach, dass wegen der entstehenden Negasphäre ohne ihre Hilfe über kurz oder lang für gewöhnliche Raumschiffe kein Einflug mehr möglich sein wird. Was bislang nur für die OREON-Kapseln oder den Kosmischen Messenger galt, wird dann jeglichen Raumschiffsverkehr, einschließlich normaler Transitions- und Lineartriebwerke, betreffen.
Welcher zeitliche Rahmen noch zur Verfügung steht, ist unbekannt. Fest steht allerdings, dass es wohl ziemlich knapp werden dürfte – immerhin wäre selbst bei einer erfolgreich nutzbaren »Abkürzung« via Sonnentransmitterstrecke die Restdistanz mit rund 800.000 Lichtjahre keine leichte, vor allem wohl nicht schnell zu überbrückende Entfernung ...
Von Vorteil dürfte allerdings sein, dass die Analyse des fingerlangen, türkisblauen Stifts unbekannter Funktion, den Mondra mitgebracht hat, als Ergebnis eine riesige Datenmenge liefert. Der Stift ist ein Datenspeicher, dessen Inhalt als Ergebnis eine Art Galaxienkarte ergibt – möglicherweise eine transformierte Karte von Hangay.
Zwar entsprechen die Daten keinen Sonnen oder sonstigen bekannten Objekten, sondern sind auf nicht nachvollziehbare Weise »verschoben« und um neue Positionsmarkierungen »ergänzt«, aber der Bordrechner MIRKET errechnet eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass es sich um eine Art Karte der Negasphäre handeln könnte. Mag diese im vorliegenden Zustand noch nicht lesbar sein – derzeit ist ja nicht mal ansatzweise klar, was genau da kartografiert ist oder welche physikalischen Modelle zugrunde liegen –, aber unter Umständen liefern die Daten später im Einsatz wertvolle Anhaltspunkte.
Rainer Castor