PERRY-RHODAN-Kommentar 2361


IM LAGUNENNEBEL


Das USO-Hauptquartier Quinto-Center war und ist trotz der Waffenanhäufung, Defensivausstattung und Mobilität keineswegs eine unangreifbare Festung. Der Vorteil des 62 Kilometer durchmessenden Mondes lag und liegt stets im Standort, der deshalb von jeher das jeweils größte Geheimnis der USO war und auch in Zukunft sein wird. Gerade vor diesem Hintergrund erfolgte die Auswahl der neuen Position in einer Umgebung, die an sich bereits beste Voraussetzungen bietet, um sich darin wirkungsvoll verstecken zu können.

Der Lagunennebel (M 8 / NGC 6523) ist Teil eines hochaktiven Komplexes aus interstellaren Gaswolken, Dunkel-, Emissions- und Reflexionsnebeln von insgesamt rund 200 Lichtjahren Durchmesser, zu dem auch der Trifidnebel (M 20 / NGC 6514), die Nebel NGC 6559 und IC 4681 und mehrere offene Sternhaufen gehören. Alle sind durch den zarten Gas- und Staubschleier dieser HII-Region miteinander verbunden – große Wasserstoffgebiete, die durch nahe Sterne zum Leuchten angeregt werden, weil der Wasserstoff durch die UV-Strahlung ionisiert wird und sich als Emissionsnebel zeigt. Bei einer geringen Dichte von kaum mehr als 10E-21 Gramm pro Kubikzentimeter beträgt die Temperatur 10.000 Kelvin, so dass Wasserstoff nicht molekular vorkommen kann und auf Bildern das rote Licht ionisierten Wasserstoffs dominiert.

In der Nachbarschaft befinden sich Molekülwolken, in denen bei Temperaturen von nur dreißig Kelvin der Wasserstoff molekular vorliegt; hier entstehen weiterhin neue Sterne. Die HII-Region des Lagunenebels selbst erstreckt sich etwa über einen Quader von grob rund 160 mal 60 mal 100 Lichtjahren Ausdehnung, der Kernbereich des Nebels misst hierbei etwa 100 mal 75 mal 75 Lichtjahre. Das gesamte Gebiet umfasst mehrere 10.000 Sonnenmassen! Ein dunkler gebogener »Kanal« durchquert den Nebel und spaltet ihn scheinbar in zwei Hälften; er ist an den meisten Stellen rund drei Lichtjahre breit, jedoch nicht komplett dunkel, sondern von parallel laufenden hellen Filamenten durchzogen. Seinen Namen verdankt der Lagunennebel dem sich diesem »Kanal« anschließenden dunklen Bereich.

Der Wasserstoff wird als »Rest« betrachtet, der vor rund zehn Millionen Jahren nach der Bildung der Sterne des offenen Sternhaufens NGZ 6530 verblieben ist. In einem Durchmesser etwa zwanzig Lichtjahren befinden sich insgesamt 147 junge Sterne – hauptsächlich vom Spektraltyp O5 bis etwa A0. Die hellsten Mitglieder sind Unterriesen des Typs B0 IV; hinzu kommen Flare-Sterne und solche des T-Tauri-Typs; etliche befinden sich im Prozess der gravitationellen Kontraktion und erzeugen teilweise noch keine thermonukleare Energie.

Das Alter des Emissionsnebels selbst mit seinen weiterhin vorhandenen Sternentstehungsbereichen ist mit rund zwei Millionen Jahren gering. Zu den hellsten Bereichen gehört die Umgebung des mit rund 12.000 Jahren noch extrem jungen Sterns 9 Sagitarii / HD 164794 vom Spektraltyp O5 V, der mit dreizehnfachem Sol-Durchmesser und dreißigfacher Sol-Masse einer der Hauptsterne ist, die den Nebel zum Leuchten anregen. Ein weiterer ist nahe dem Sanduhrnebel zu finden – der blaue Stern Herschel 36 / HD 164740.

Der extrem helle Bereich des rund ein Lichtjahr durchmessenden Sanduhrnebels selbst wird von den jungen Sternen mit Energie versorgt sowie durch die ionisierende Strahlung zum Leuchten angeregt und stellt eine sehr aktive Sternbildungsregion mit Quellen für starke Radio- und Hyperstrahlung dar. Der Detailblick offenbart ein Paar etwa 0,5 Lichtjahre langer interstellarer »Wirbelstürme« – die starke Strahlung trifft hier auf die Oberfläche der umliegenden Wolken, verbunden mit gewaltigen stellaren Winden, welche die kühlen Wolken zerreißen: Analog zu irdischen Wetter-Phänomenen führt die große Temperaturdifferenz zwischen der heißen Oberfläche und dem kühlen Inneren der Wolken, kombiniert mit dem Druck des Sternenlichts, zu starken horizontalen Scherkräften, die die dunklen Wolkenschläuche zu einem tornadoförmigen Gebilde verwirbeln.

In der Nachbarschaft offenbart sich eine Vielzahl »kleiner« Strukturen im interstellaren Medium: Kleine dunkle Wolken, »Bok-Globulen« genannt, sind kollabierende protostellare Wolken von rund 10.000 Astronomischen Einheiten oder zwei Lichtmonaten Durchmesser. Markante Dunkel- und Staubwolken mit einem Durchmesser von teilweise mehreren Lichtjahren sind im gesamten Bereich des Lagunennebels zu finden, hinzu kommen bogenförmige Schockfronten um Sterne, ionisierte Fetzen, Wolkenbüschel, Ringe, Knoten und Jets – alles Zeichen für die in jeder Hinsicht hochaktive Natur dieses Gebiets als Geburtsstätte neuer Sterne aus staubigen Molekülwolken. Ein ideales Versteck!

Rainer Castor