PERRY-RHODAN-Kommentar 2345


ARCHETIMS ERBE


Als im Herbst 1331 NGZ die Schohaaken materialisierten, war zunächst unklar, um wen oder was es sich handelte. Inzwischen wissen wir, dass sie Aktionskörper der Superintelligenz ARCHETIM sind, deren psi-materieller Leichnam seit rund 20 Millionen Jahren in der Sonne ruht und das Solsystem insgesamt zum »sechsdimensional funkelnden Juwel« macht.

Im Februar 1333 NGZ hatten die Schohaaken zu träumen begonnen, zuerst der als Erster auf der Erde aufgetauchte Orren Snaussenid, später auch alle anderen. Doch erst Ende April 1333 NGZ war klar geworden, was es mit diesen Träumen auf sich hatte: Die Schohaaken erzählten Fragmente der Geschichte der Superintelligenz ARCHETIM. Rund ein Dutzend berichtete darüber hinaus das, was mit Myles Kantor und seinen Mitarbeitern geschehen war, nachdem sie die TRIPTYCHON-Station in der Korona der Sonne entdeckt hatten (PR 2299). Leider sagte kein Schohaake etwas darüber aus, wie es damals ARCHETIM mit anderen Superintelligenzen durch das als Retroversion bezeichnete »Verfahren« genau gelungen war, in der 45 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie Tare-Scharm das Entstehen einer Negasphäre zu verhindern (PR 2279).

In anderer Hinsicht waren diese Traumberichte dagegen durchaus informativ. Wir wissen nun, dass Andromeda damals den Namen Duero Cachan trug und es in der Phariske-Erigon genannten Milchstraße zwei Zentren gegeben hat. Der Planet Dymyr-Gro war das weltliche Zentrum und Sitz des SYSTEMS; von hier aus wurde die Galaxis wie auch ARCHETIMS Mächtigkeitsballung im Sinn der Superintelligenz verwaltet. Der Planet Oaghonyr dagegen galt als geistiges Zentrum – wegen seiner parkartigen Landschaften und seiner goldenen Städte auch »die Wundervolle« genannt.

Hier gab es ARCHETIMS HORT – eine golden strahlende Wendelrampe, die sich in einer fünf Kilometer durchmessenden weißen Lichtsäule bis zu den 16 Kilometer entfernten Wolken emporwand. Vom HORT wurde gemunkelt, es handele sich um eine stabilisierte Materieprojektion, eventuell sogar mit einer Beimischung von Carit, dessen oberes Ende sogar in den Hyperraum hineinreiche.

Und am Südrand der Hauptstadt Oaghon befand sich das auf einem 250 Meter hohen Plateau gelegene, als unzerstörbar geltende Clateaux der Zeiten als grob quadratischer Komplex mit fünf 600 Meter hohen Stufenpyramiden. Auf Hunderten von Ebenen und Terrassen standen Zehntausende so genannter Inkarnationen, die wie Statuen wirkten, aber Wesen aus unterschiedlichen Epochen waren, die zu einer höhergeordneten Form von Leben konserviert wurden und so ihre Lebenserinnerungen für die Nachwelt bewahrten.

Die Retroversion der Negasphäre hatte die Superintelligenz über alle Maßen geschwächt, so dass ARCHETIM zwar noch seinen HORT erreichte, aber dem Tod geweiht war. In der verbleibenden Zeit stellte Orgid Sasstre die »Kette von Oaghonyr« zusammen, einen Trauerzug aus 60.000 Raumschiffen, der den psi-materiellen Leichnam ARCHETIMS den schohaakischen Gebräuchen gemäß zu seiner letzten Ruhestätte geleiten sollte. Zu dieser hatte die Superintelligenz eine bislang unbedeutende gelbe Sonne bestimmt, die im Gretton-Mok-Spiralarm der Galaxis Phariske-Erigon lag – heute ist die Sonne als Sol bekannt.

20 Millionen Jahre sind eine lange Zeit. Die Hoffnung, heute noch verwertbare Spuren jener Epoche zu finden, tendiert stark gegen null – reicht die Zeit doch aus, um Gebirge entstehen oder vergehen oder ganze Sonnen und Welten untergehen zu lassen. Dass Oaghonyr dennoch gefunden werden konnte, mag auf den ersten Blick verwundern – unter Einbezug der heutigen Position ist das Erstaunen dagegen nicht mehr ganz so groß, hat doch wohl ES seine unsichtbaren Finger im Spiel gehabt.

In den uralten Quellen der Báalol-Archive auf Trakarat war von einer »Treppe in die Wolken« die Rede, auf einem legendären Planeten, der zu Zeiten des Großen Imperiums um 11.500 vor Christus in diversen Sagen und Mythen Ubanquar genannt wurde. Mehr als die Schilderung dieser »Treppe in die Wolken«, die anscheinend nie verifiziert wurde, war allerdings nicht zu finden. Heute hat Ubanqar nur die Kodebezeichnung Gbts/255620 – doch die Koordinaten beschreiben eine Position am Rand einer »rätselhaften Sternenlücke«. Diese wurde inzwischen vom Peldron-Nebel »aufgefüllt«, so dass die zugehörige Sonne wahrscheinlich als eine der Spendersonnen für den Hyperkokon des Nebels gedient hat – wobei nicht einmal klar ist, ob das der »ursprünglichen Position« des Oa-Systems entspricht oder es eine Versetzung gab.

Unabhängig vom im Roman geschilderten Ergebnis, dürfte das wieder gefundene Oaghonyr auch fortan von Interesse sein, denn es gehört zu ARCHETIMS Erbe.

Rainer Castor