Noch sind die Hintergründe und Details längst nicht geklärt, aber schon jetzt lässt sich sagen, dass die Charon-Wolke seinerzeit für die Schutzherren von Jamondi – und damit wohl auch für ihren späteren Gegner »Gott Gon-O« – von besonderem Interesse war. Genauer gesagt: Das von den Schutzherren Salkrit genannte und im Goldenen System im Zentrum der Wolke gefundene Material war für sie von immensem Wert.
Aus dem Vorgehen bei der Ansiedlung der Motana lässt sich überdies ableiten, dass gezielt in Kenntnis der Eigenschaften und Möglichkeiten des Salkrits gehandelt und nicht etwa dieses Material später entdeckt und seine Nutzung erst dann in Erwägung gezogen wurde. Da die Prospektoren der Terminalen Kolonne TRAITOR ebenfalls gezielt vorgehen und sich auf die Angaben der Dunklen Ermittler beziehen, laut denen sich in der Wolke größere Vorräte von Salkrit befinden könnten, kann als sicher gelten, dass dieser Name »in gewissen Kreisen« ein durchaus geläufiger Begriff ist. Vielleicht ist er dem golden leuchtenden Carit vergleichbar, einem ebenfalls exotischen Material, zu dessen Herstellung der »Ultimate Stoff« benötigt wird.
Aus der durchaus vorhandenen Ähnlichkeit beider Begriffe darf nicht zuviel geschlossen werden, zumal vorläufig über die Eigenschaften und Möglichkeiten des Salkrits nichts Genaueres ausgesagt werden kann. Betrachten wir allerdings die damit verbundenen Wirkungen in Form des Strukturgestöbers der Charon-Wolke, scheinen seine hyperphysikalischen Eigenschaften denen von instabilen Formen von Psi-Materie kaum nachzustehen, deren spontane Deflagration wie beim Paratau der Nocturnen zu katastrophalen Psi-Stürmen führen konnten.
Vor dem Auszug zum Ahandaba hatten die Schutzherren versucht, auch die Bevölkerung der Charon-Wolke »einzusammeln«, doch es war nicht gelungen, die Charonii zur Kontaktaufnahme zu bewegen. Da es keine Möglichkeit gab, das Innere der Wolke zu beobachten, war nicht einmal sicher, ob die Charonii die Isolation der rund 12.000 Jahre Hyperkokon-Abriegelung überlebt hatten.
Vor rund sieben Millionen Jahren jedenfalls waren es hoch begabte Epha-Motana gewesen, die von den Schutzherren in Habitaten am Rand der Charon-Wolke angesiedelt worden waren. Mit ihnen sollte erforscht werden, ob sie sich mit ihren Parasinnen auf die besonderen Bedingungen in der Wolke einstellen können – was im Lauf vieler Generationen tatsächlich geschah. Die besonderen Gaben der Strukturpiloten entstanden, die ein Manövrieren im Strukturgestöber ermöglichten: der Pilotensinn und die Pilotenkraft.
Damit begann die eigentliche Erforschung der Charon-Wolke. Die neun Planetensysteme im Inneren wurden entdeckt, sieben besiedelt. Habitate bis zu einer bestimmten Größe wurden von besonders fähigen Strukturpiloten ins Innere der Wolke transportiert und dienten in späteren Zeiten als Pilotenstädte. Die sieben von Charonii bewohnten Systeme wurden überdies zu Wohnsystemen ausgebaut und galten als potenzielles Rückzugsterritorium für Schutzherrenvölker, die auf diese Weise für Feinde nicht angreifbar werden sollten.
Doch die Charonii wurden nie ins Vertrauen gezogen, welches Geheimnis sich hinter dem Salkrit verbarg. Sie taten lediglich als Fährleute Dienst, die das Salkrit aus dem Goldenen System in den Normalraum beförderten – weil sie als einzige in der Lage waren, die Strukturdolben unversehrt durch das Gestöber zu steuern. Bald schon entstand so eine ganz eigene Zivilisation. Zu einer Evakuierung von Schutzherrenvölkern in die Wolke kam es nie, stattdessen lebten die Charonii isoliert und ganz für sich, solange sie nur sicherstellten, dass die Salkrit-Transporter in die Wolke hinein- und sicher wieder hinauskamen.
Nach einer »legendär gewaltigen Katastrophe«, über die die heutigen Charonii nichts mehr wissen, erlosch jegliche Aktivität in und um das Goldene System, das seither tabu ist und von den Fährleuten gemieden wird. Da dieses Ereignis zeitlich mit der Einkapselung des Charon-Haufens in einen Hyperkokon zusammenfällt, dürfte es nicht zu weit hergeholt sein, hier Aktivitäten von »Gott Gon-O« und seiner Kybb-Truppen zu vermuten, waren diese doch auch bei den anderen Hyperkokon-Gebieten Grund für die Abriegelung vom umgebenden Universum.
Aufgrund der besonderen, physikalisch instabilen Bedingungen der Charon-Wolke wurden von den Charonii von jeher besonders robuste, unanfällige Technologien benutzt. Exakt jene, die nach dem Hyperimpedanz-Schock in der übrigen Milchstraße wieder in Gebrauch kamen. Vom Hyperimpedanz-Schock waren die Charonii daher wenig betroffen.
Rainer Castor