PERRY-RHODAN-Kommentar 2280


INKARNATIONS-BERICHTE


Der Schohaake Orren Snaussenid materialisierte am 23. Oktober 1331 NGZ ohne Erinnerungen in Skandinavien, wurde von dem Biologen Alexander Skorgue gefunden (PR-Roman 2215) und gehört, wie wir inzwischen wissen, zu jenen 3504 Aktionskörpern, die ARCHETIM nach dem Hyperimpedanz-Schock freigesetzt hat, von denen jedoch nur 2536 überlebt haben.

An Bord der TRIPTYCHON-Station ist es Snaussenid, der durch »Abhören« der Inkarnations-Berichte erstmals Näheres über die tote Superintelligenz und ihr Schicksal erfährt. In gewisser Weise ist jede Inkarnation »lebendig«: Konserviert durch ein Verfahren der Schohaaken, das angeblich einer Mumifizierung gleicht, starben die »inkarnierten« Körper nicht, sondern »versteinerten« nur nach außen hin und behielten dennoch ihre Seelen, die höhergeordnete Form von Leben. In der Gesellschaft der Schohaaken galt eine Existenz als Inkarnation deshalb keineswegs als Ende oder Tod, sondern als eine der größten Ehren, die einem zuteil werden konnte.

Eine Inkarnation war stets ein Zeitzeuge; ein Wesen, das wichtige Dinge erlebt hatte und diese auf Ewigkeiten hinaus an die Nachwelt weiterzugeben bereit war. Und es sind jene Inkarnationen in ARCHETIMS Mausoleum, die vom wunderbaren Oaghonyr berichten, dem spirituellen Zentrum der Galaxis Phariske-Erigon, das vor rund 20 Millionen Jahren als die Heimstatt der mächtigen Superintelligenz ARCHETIM galt.

1000 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Oaghon, im Zentrum des Kontinents Bravu, befand sich ARCHETIMS HORT im Gebirge der Zeiten, das den HORT wie ein Schutzwall umgab, den kein Schohaake jemals zu betreten wagte. Aus der Ferne betrachtet, war es eine sich nach oben verjüngende »goldene Wendelrampe« aus einem unbekannten goldenen Material, von dem gemunkelt wurde, es handele sich um eine stabilisierte Materieprojektion, die vielleicht sogar eine »Beimischung« von Carit beinhaltete.

Bei Carit handelt es sich um eine goldfarben schimmernde Legierung mit größtenteils unbekannten Eigenschaften, die offensichtlich mit Hilfe von Kosmokratentechnik entwickelt wurde und uns erstmals im Zusammenhang mit dem Umbau der SOL in der Kosmischen Fabrik MATERIA begegnete. Carit spiegelt perfekt und wirkt, als glimme es von innen heraus; es hält enorme Spannungen aus und verschließt sich einer detaillierten Analyse. Carit soll mikroskopische Beimengungen von Ultimaten Stoff enthalten, so dass das Material Energie bis zu einem unbekannten Grad aufzunehmen, speichern und bei Erreichen des Sättigungsgrades in den Hyperraum abstrahlen kann.

Eingehüllt von einer 5000 Meter durchmessenden, mindestens 16.000 Meter hohen weißen Lichtsäule, deren Ränder in unregelmäßigem Rhythmus flackerten, war ARCHETIMS HORT ein gewaltiges Bauwerk, das bis in die Wolken reichte und dort verschwand. Obwohl über den Wolken nichts zu sehen war, ragte der HORT angeblich dennoch weit über sie hinaus, weil sich der größte Teil offenbar im Hyperraum befand.

Aus den Berichten geht hervor, dass ARCHETIMS Ende mit einem geheimnisvollen, als Retroversion bezeichneten Vorgang in Zusammenhang stand, der eingeleitet wurde, weil in der rund 45 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxis Tare-Scharm die Entwicklung einer Negasphäre bevorstand.

Eine Negasphäre ist nach bisherigen Erkenntnissen eine von Chaos und Willkür gekennzeichnete Region des Universums, in der keine Informationen durch Kosmische Messenger übertragen oder zur Aufrechterhaltung der kosmischen Ordnung in der betreffenden Region wirksam werden, so dass die Naturgesetze ihre Gültigkeit verlieren und Chaos einkehrt. Die Retroversion, was immer das bedeuten genau mag, scheint also ein Versuch gewesen zu sein, die Informationsübertragung durch die Kosmischen Messenger wiederherstellen.

Bislang gibt es nur die »Erfahrung« mit jener Negasphäre, die durch das Verschwinden von TRIICLE-9 entstand – und diese wurde mit der Rückkehr des Frostrubins an seinen angestammten Platz beseitigt (PR 1271). Von einer Negasphäre in nur 45 Millionen Lichtjahren Entfernung ist uns nichts bekannt, so dass wohl von einer erfolgreichen Retroversion ausgegangen werden muss. Die Superintelligenz hat demnach vor 20 Millionen Jahren gewusst, wie eine Negasphäre zu verhindern oder die Entwicklung umzukehren ist – verlor dabei allerdings ihr Leben. Heute besteht ARCHETIMS Leiche nur noch aus einem hochkomprimierten psionischen Feld, letztlich also vermutlich aus einer »Form« von Psi-Materie.

Rainer Castor