PERRY-RHODAN-Kommentar 2253


WER IST GON-ORBHON? (I)


Seit dem Bericht der Medialen Schildwache gibt es hinsichtlich der ursprünglichen Identität Gon-Orbhons zumindest insofern Klarheit, als wir einen Großteil seines Werdegangs und seiner Wandlung kennen. Das Bild erweitert sich dann sogar noch, da wir im Gegensatz zu Rhodan und Atlan ja die im Solsystem gewonnenen Erkenntnisse hinzufügen können. Inwieweit sich daraus allerdings ein schlüssiges Bild über den Gon-Orbhon der Gegenwart entwickeln lässt, muss vorläufig ebenso offen bleiben wie etliche Fragen, die sich um diesen ehemaligen Schutzherrn ergeben.

Laut der Schildwache Lyressea war Gon-Orbhon ursprünglich ein humanoides Kunstgeschöpf. Ein nicht alterndes Wesen, das sich seiner eigenen Vergangenheit nicht bewusst war, dessen Vergangenheit auch nicht rekonstruiert werden konnte und das außer seinem Namen keine weiteren Angaben machte. Gon-Orbhon wurde von Lyressea in einer Rettungskapsel treibend ohne Gedächtnis im Leerraum zwischen der Milchstraße und der Großen Magellanschen Wolke aufgefunden.

Aber Gon-Orbhon erwies sich als moralisch hoch stehend und so fähig, dass er binnen kürzester Zeit im Orden der Schutzherren Karriere machte – trotz des Schattens, den seine ungeklärte Herkunft leider warf. Und genau hier müssen wir bereits stutzen, könnte sich hinter dieser Frage doch mehr verbergen.

Kunstgeschöpf? Rettungskapsel? Keine Erinnerungen? Die zur Verfügung stehenden Informationen reichen bei weitem nicht aus, um spekulieren zu können; zu gering sind die Hinweise auf die Vergangenheit, die Herkunft, die »wahre Identität«. Selbst unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklung lässt sich momentan keineswegs sagen, dass er bereits von Beginn an ein »Kuckucksei« war, das dem Orden der Schutzherren ins Nest gelegt wurde – von wem auch immer.

Fest steht, dass Gon-Orbhon ein mächtiger Mutant war, seine Parafähigkeit wurde als Mental-Dislokation umschrieben. Er konnte sein Bewusstsein vom Körper trennen und mit dem Geist fremde Bewusstseine übernehmen. Aber nicht nur ein Bewusstsein, sondern viele durch »Aufspaltung« seines Geistes in beliebig viele und kleine Aktionsquanten. Je kleiner die Aktionsquanten, desto geringer war natürlich die Kraft, die sie ausübten. Ab einer gewissen Aufteilung war die Sache nicht mehr sinnvoll. Doch Gon-Orbhon war durchaus in der Lage, einige Dutzend Personen von normaler mentaler Stärke zu kontrollieren oder einige tausend mehr oder weniger grob zu beeinflussen – und das auf Distanzen von bis zu einem halben Lichtjahr.

Vom Prinzip her erinnert diese Fähigkeit an den Anzugs der Phantome, der Morkehro Seelenquell den Aufstieg zur Superintelligenz SEELENQUELL ermöglichte. Genügend psionisches und mentales Potenzial vorausgesetzt – das der Anzugträger aus sich selbst heraus einbringen musste, aber auch von außen angelagert oder vereinnahmt auftreten konnte –, konnte dieses im entscheidenden Augenblick zu der Höheren Wesenheit unter der Führung des Anzugträgers zusammengefasst werden. Diese »Entkörperlichung«, die die spontane Bildung von Psi-Materie sowie deren Beherrschung mit einschloss, gestattete bei optimalen Voraussetzungen im Extrem sogar den Sprung zu einer Superintelligenz.

Unterstützt und begleitet wurde dies von einer weiteren Funktion des Anzugs: Durch ihn wurde das Bewusstsein des Trägers so stark, dass es eine »Geistübernahme« gestattete – die Aussendung von Projektionen, durch die fremde Wesen mental in den Verbund integriert werden konnten. Ein Vorgang, der selbst über riesige Entfernungen hinweg zielgenau funktionierte und eine multiple Bewusstseinsspaltung in viele miteinander vernetzte Splitter zur Folge hatte. Diese Phantome agierten dann alle im Sinne des Gesamtbewusstseins und wurden als »Hand« umschrieben.

Gon-Orbhons ursprüngliche Fähigkeit scheint deutlich weniger stark als die Möglichkeiten des Anzugs der Phantome gewesen zu sein. Das änderte sich jedoch zweifellos mit seinem Versuch, dem vom Wahnsinn bedrohten Satrugar-Nocturnenstock auf Parrakh zu helfen. Die »Verschmelzung« unter Nutzung seiner Mutantenfähigkeit erwies sich als fürchterlicher Fehlschlag. Die aus Satrugar und Gon-Orbhon entstandene Wesenheit mutierte zu einer bösartigen Entität. Exakt 6.999.133 Jahre vor Christus entstanden die Bastion Parrakh und das Imperium Orbhon, während parallel dazu das 6-D-Juwel des Solsystems angezapft wurde.

Beendet wurde diese Aktion wie auch der sie begleitende Krieg erst durch die Abschottung der Hyperkokons von Homunk im Auftrag der Superintelligenz ES. Doch damit war dieses Kapitel leider noch nicht beendet ...

Rainer Castor