Wer sich mit ES und der Geschichte der Superintelligenz beschäftigt, stößt wiederholt auf das Phänomen künstlich geschaffener Wesen, auf die zumindest auf den ersten Blick die Umschreibung Androiden zutreffen mag. Ob damit aber der Kern wirklich getroffen wird, ist eine andere Frage.
Auch den galaktischen Zivilisationen – allen voran den Aras als Galaktische Mediziner – stehen durch moderne Genchirurgie, Nanotechnologie, Biomechanik und -kybernetik beachtliche Möglichkeiten zur Verfügung. Inwieweit alles Mögliche auch tatsächlich angewendet werden kann oder darf, ist eine Frage, über die sich seit Jahrhunderten Philosophen, Theologen und Ethikkommissionen die Köpfe heiß reden.
Ob die »Bestien« von M 87 als Vorfahren der Haluter oder die Multi-Cyborgs (Mucys), welche Atlan als Prätendent des Neuen Einsteinschen Imperiums (NEI) zur Zeit der Larenherrschaft »in Auftrag gab« – ab einem gewissen Punkt der Perfektion scheint bei solchen eigentlich auf Künstlichkeit ausgelegten »Diener-Organismen« stets der Quantensprung zum (Ich-)Bewusstsein anzustehen, so dass die »Erbauer« mehr oder weniger unfreiwillig zu fragwürdigen »Schöpfern« mutieren (gemäß PR-Computer 1975). Und das unabhängig davon, ob nicht genau das sogar von vornherein bei der Schaffung der »Kunstwesen« bereits Ziel war oder nicht.
Dass die Grenzen – auch unter dem Gesichtspunkt belebt oder unbelebt – mitunter fließend sind und eindeutige Zuordnungen gerade bei Kunstwesen aus der »Werkstatt« von Wesenheiten wie ES stets schwierig sind, war bereits bei der allerersten Begegnung mit Homunk im Januar 1976 zu erfahren.
»Ich bin Ihnen zugeteilt worden«, erklärte das Wesen sachlich. »Verleihen Sie mir bitte einen Namen.«
»Wer sind Sie?«, flüsterte Rhodan mit spröden Lippen.
Der Fremde, der wie ein Mensch aussah, lächelte. »Ich bin für Sie konstruiert worden, Sir. Daher meine menschliche Erscheinungsform.«
»Ein Robot?«
»Sozusagen, Sir, aber keine Maschine in Ihrem Sinne. Mein Gehirn ist eine halb organisch-inpotronische Verbindung.«
»Inpotronisch?«, schnappte Rhodan.
»Sechsdimensional, Sir. Möchten Sie nun das Physiotron betreten?« (PR-Roman 19)
Bei einem weiteren Besuch der Kunstwelt Wanderer im August 1982 wurde klar, dass eine Gleichsetzung mit einem »Roboter« ohnehin viel zu kurz gegriffen war, zumal schon die in Anspielung auf Goethes »Faust« gewählte Umschreibung das nahe legte – immerhin ist dort ein »Homunkulus« ein »künstlich erzeugter, sehr kleiner Mensch«. Ein Name, der wie wir inzwischen wissen, auch schon vor sieben Millionen Jahren Verwendung fand und zweifellos im »Zeitschleifen-Wissen« von Delorian Rhodan seinen Ursprung hat.
»(...) Homunk wird dich führen.«
Rhodan war erstaunt. »Woher weißt du, dass ich den Roboter so nannte?«
»Aber, alter Freund, Homunk ist doch kein Roboter. Er ist ein Terraner, den ich geschaffen habe – gewissermaßen aus überflüssiger Materie. Er gefiel mir, und so ließ ich ihn bestehen. In der Zwischenzeit ist er sogar klüger geworden – er freut sich auf den Besuch.« (PR 32)
Mit vergleichbaren langlebigen oder unsterblichen, aber auch sterblichen, fruchtbaren wie unfruchtbaren »Androiden« aus der Werkstatt von ES wurde Atlan im Verlauf seiner irdischen Verbannung gleich mehrfach konfrontiert (siehe die »Zeitabenteuer« in den Bänden 1 bis 13 der ATLAN-Buchreihe). Und auch bei ihnen dürfte eine Beurteilung hinsichtlich der wahren Natur schwer fallen, zumal jene, mit denen Atlan es zu tun bekam, stets eigenständig handelten und sich – ob nun bewusst oder unbewusst als Folge eines »Programms« – mehr oder weniger intensiv gegen ihren Erschaffer wandten.
Vor diesem Hintergrund braucht es also eigentlich nicht zu verwundern, dass die sechs langlebigen, wenn nicht sogar unsterblichen Schildwachen ebenfalls vom Ursprung her als Kunstgeschöpfe einzuschätzen sind. Die Frauen Lyressea, Catiaane, Metondre sowie die Männer Hytath, Eithani, Atjaa wurden Homunk zufolge aus einem »speziellen, unermesslich wertvollen Genpool geschaffen«, dessen Herkunft mit Terra – damals noch Talan genannt – identisch ist. Ein Thema, mit dem wir uns noch an anderer Stelle beschäftigen werden. Lyresseas Bericht über die Geschichte der Schutzherren von Jamondi brachte zwar in vieler Hinsicht Informationen, ihre »Zweite Gestalt« zeigt jedoch, dass wir noch längst nicht alles über sie wissen ...
Rainer Castor