Carlosch Imberlock wurde am 8. April 1291 NGZ in Neu-London geboren, während der Diener der Materie Ramihyn seine Schneisen des Todes über Terra zog. Er schloss sich, nicht einmal dreizehn Jahre alt, nach der Eroberung des Solsystems durch die von SEELENQUELL beeinflussten Arkoniden der von Roi Danton gegründeten Gruppe Sanfter Rebell an.
Nach der Schulausbildung hatte er ab 1308 NGZ für viele Jahre als »Hausmeister« im MultiKonfessZentrum von Neu-London gearbeitet, einer Begegnungsstätte vor allem für die terranischstämmigen Religionen, die am Tag seiner Geburt ebenfalls von Ramihyn heimgesucht worden war. Zweifellos eine prägende Zeit, da hier auch die Bedürfnisse vieler Galaktiker auf Verständnis und Gegenliebe stießen. Ob in jenen Jahren sein Interesse für Religion geweckt wurde, bleibt unbekannt. Nach außen hin gab und gibt sich Imberlock stets unbeeindruckt, kühl und sachlich.
In der Zeit zwischen 1320 NGZ und Anfang 1331 NGZ hatte er die Erde verlassen und bei einer Rundreise durch die Galaxis als »interstellarer Tramper« viele Planeten besucht. Einzelheiten sind nicht bekannt. Am 17. Februar 1331 NGZ geriet das Passagierschiff IMPRESSION, mit dem er zur Erde zurückkehren wollte, in einen der Hyperstürme und trieb für fast einen Monat antriebslos und nahezu ohne Energie durch das All, bis es am 15. März 1331 NGZ von einem Wachkreuzer der LFT aus der Raumnot gerettet wurde. Bei der Hypersturm-Havarie wurden die meisten an Bord getötet; Carlosch Imberlock gehörte zu den 27 Überlebenden.
Nach dem Hyperimpedanz-Schock begann er mit seinen öffentlichen Predigten, die die Zuhörerschaft stets in zwei tief verfeindete Lager spaltete: Die einen schimpften ihn einen Scharlatan, die anderen »wussten«, dass Imberlock die reine, vom »Gott Gon-Orbhon« eingegebene Wahrheit sprach.
»Dies sind die Tage und die Jahre des Niedergangs. In nicht allzu ferner Zukunft wird der Gott Gon-Orbhon über diese Welt Terra und ihre ungläubigen Bewohner kommen, und er wird die Lebenden in zwei Klassen einteilen. In jene, die nach ihrem Tod würdig sind, Gon-Orbhon zu dienen, und jene, die einfach verlöschen werden und spurlos verschwinden, als hätten sie niemals existiert.
Alle jenen Narren, die Ingenieure, Techniker, Arbeiter, die Wissenschaftler und Wirtschaftsplaner tun schlechte Werke. Sie verrichten nicht Gon-Orbhons Werk des Untergangs, sondern errichten lästerliche Werke, die sie Fabriken nennen. Damit versündigen sie sich gegen Gon-Orbhon und verurteilen sich zugleich, zum Nichts zu werden, so erbärmlich zu verlöschen, als wären sie niemals ein Licht gewesen.«
Ein Schwert vor einem flach liegenden grauen Oval wird von den Jüngern als Symbol des Gottes Gon-Orbhon interpretiert. Immer mehr Menschen träumen inzwischen von einem hünenhaften, makellosen Humanoiden, der über der Oberfläche eines ovalen, spiegelglatten Sees schwebt, während neben ihm aus dem Wasser der Knauf und die halbe Klinge eines riesigen Schwertes ragen. Und sie sehen in dieser Vision Gon-Orbhon als ein furchtbares, gewaltiges, vor allem aber allmächtiges Wesen. Noch sind Gon-Orbhons Augen verschlossen. Aber wenn er sie öffnet, heißt es, werden seine Blicke töten und alles auslöschen, was lebt ...
Es steht inzwischen fest, dass Imberlock kein Mutant ist. Von ihm geht keine Beeinflussung aus, die die Menschen verändert, zu Mitgliedern der »Kirche« macht oder gar zu amoklaufenden Attentätern werden lässt. Das Medium predigt zwar den Untergang – doch öffentlich und persönlich distanziert es sich von den Taten, verurteilt sie gar im Namen Gon-Orbhons, weil es das Werk Einzelner ist, die ohne den Auftrag der Kirche handeln.
Dass mehr dahinter steckt, ergibt sich durch die Entdeckung, dass sich in Sol die Leiche der Superintelligenz ARCHETIM befindet. Diesem Psi-Korpus wird von einer offensichtlich in der Großen Magellanschen Wolke befindlichen Geistesmacht per Jetstrahl die gespeicherte Psi-Energie abgezapft, und bei dieser Geistesmacht handelt es zweifellos sich um keine Geringere als um »Gon-Orbhon«. Das würde zur Aussage des Shoziden-Generals Troshmoud passen, der im Zusammenhang mit dem »namenlosen Gegner«, der in der Bastion von Parrakh residiert haben soll, vom Imperium Orbhon sprach.
Obwohl eindeutige Beweise noch fehlen, muss wohl davon ausgegangen werden, dass die Anhänger wie auch Imberlock selbst »in Kontakt« mit diesem Wesen stehen. Fragt sich nur, wer dieser makellose humanoide Hüne wirklich ist und ob die geschlossenen Augen auf eine Art »Schlaf« hindeuten, der womöglich bald beendet sein wird ...
Rainer Castor