PERRY-RHODAN-Kommentar 2221


KRISE UND CHANCE


Das chinesische Schriftzeichen für »Krise« steht in seiner zweiten Bedeutung für »Chance«. Eigentlich ist es eine uralte Erkenntnis, aber gerade in Ausnahmesituationen, die alle Aufmerksamkeit erfordern und von Verzweiflung, über Zorn bis hin zum Selbstmitleid geprägt sind, erscheint es umso wichtiger, sie sich immer wieder vor Augen zu führen: Jede Krise ist zugleich die Chance, es besser zu machen!

Mit der Änderung der Voraussetzungen und Bedingungen, im Angesicht einer neuen Herausforderung, gibt es kein Verharren in alten Bahnen und Denkstrukturen. Mitunter birgt dann schon die Notwendigkeit, es anders machen zu müssen, die Möglichkeit, dass es besser wird.

Für viele Menschen, aber auch die Galaktiker insgesamt ist die Erhöhung der Hyperimpedanz zweifellos eine Katastrophe. Sie fühlen sich um ihre Zukunft betrogen, müssen beispielsweise die Träume begraben, nahezu nach Belieben in fremde Galaxien vorstoßen zu können. Wie es momentan aussieht, scheint sich die Raumfahrt auf nicht absehbare Zeit auf solnahe Sonnensysteme zu beschränken. Hinzu kommen dann vielleicht nach und nach Teile der heimischen Milchstraße.

Durchaus verständlich, dass sich der Zorn auf die Kosmokraten konzentriert, die das Geschehen nach eigener Aussage eingeleitet haben. Es wird als Willkür empfunden, vielleicht sogar als pure Schikane. Mit Verständnis haben die Hohen Mächte und ihre Vertreter keineswegs zu rechnen. Dass diese sich wiederum recht wenig um die Empfindungen der »Ameisen« in den Niederungen des Standarduniversums scheren, dürfte ebenfalls klar sein.

Zumindest was viele Terraner betrifft, dürften die Wesen jenseits der Materiequellen allerdings die typisch terranische Trotzreaktion unterschätzt haben, dieses »jetzt erst recht«, das ebenfalls von der Krise zur Chance überleitet.

Durchaus möglich, dass viele schlicht und einfach die »Schmach« nicht auf sich sitzen lassen wollen, dass sie sich geschworen haben, neue Wege zu beschreiten, um gestärkt aus dem Desaster hervorzugehen und eines Tages die Hohen Mächte des Kosmos zur Rechenschaft zu ziehen. Ob das realistisch ist, interessiert sie derzeit weniger – es ist Motivation, Antrieb, gibt ein anzustrebendes und zu erreichendes Ziel vor.

Jene, die die Angelegenheit nüchterner betrachten, mögen zwar weniger die ganz hochtrabenden Ziele vor Augen haben, doch auch sie sind fest entschlossen, das Jammern hinter sich zu lassen. Sie packen an und mobilisieren Kräfte, die sie sich vielleicht selbst nicht zugetraut haben.

Vor diesem Hintergrund ist auch und gerade eine Person wie Malcolm Scott Daellian, vom Schicksal auf die härteste Weise gebeutelt, ein markantes Symbol. Am 23. Mai 1301 NGZ im Terrania-Stadtteil Monggon-Ost geboren, galt er als einer der hoffnungsvollsten terranischen Wissenschafter mit Schwerpunkt angewandte Technik.

Insbesondere durch Rhodans Warnungen ab 1312 NGZ wurde sein frühes Interesse an Naturwissenschaft und Technik geweckt und forciert. Er war schon als Kind – auch Dank seiner »terranostalgischen« Eltern – von altterranischen Wissenschaftsgrößen wie Arno Hieronymus Kalup und Geoffry Abel Waringer begeistert.

1319 bis 1324 NGZ studierte er Hyperphysik und Raumfahrttechnik an der Universität Terrania; die Diplomarbeit von 1323 NGZ trug den Titel Vernachlässigte Halbraumtechnik?, die Promotion Ende 1324 NGZ hatte die Technologie unter dem Blickwinkel eines erhöhten Hyperphysikalischen Widerstands als Thema. Daellian mag zu jener Zeit noch für manche These belächelt worden sein, aber die Bewertung lautete summa cum laude, sein Abschluss war der eines Dr. sc. hyp., also scientiae hyperphysicorum.

Als Gastprofessor am Terrania Institute of Technology (TIT) hatte er nach der Rückkehr der SOL im Sommer 1325 NGZ erste Kontakte zu Myles Kantor, Tangens dem Falken, Humphrey »Blue« Parrot und Sackx Prakma und war unter anderem an der Prototyp-Entwicklung des nach Tangens benannten Hawk-I-Kompensationskonverters sowie der theoretischen Konzeption des Hawk-II-Nachfolgemodells beteiligt.

Der Wechsel zur USO kam für viele überraschend; nach der Spezialistenausbildung war Daellian zunächst im aktiven Dienst, ab 1. Juli 1330 NGZ dann als hoch stehender QuinTech eingesetzt – bis der Unfall vom 14. Januar 1331 NGZ für den Mann zum persönlichen Wendepunkt wurde. Auch hier stand der Krise die Chance gegenüber ... Zweifellos werden wir von dem Mann an der Spitze der Waringer-Akademie noch hören.

Rainer Castor