Die Lage ist hoffnungslos – also machen wir uns an die Arbeit und fangen an. Etwa in dieser Art könnte man wohl Perry Rhodans und Atlans Situation umschreiben, als sie nach dem Absturz der Silberkugel zu sich kommen. Aufgeben ist eine Vokabel, die in ihrem Wortschatz nicht vorkommt. Dennoch sind die Rahmenbedingungen denkbar ungünstig.
Beide Männer sind starke Persönlichkeiten, mit immensen Erfahrungen ausgestattet und dank ihrer Zellaktivatoren potenziell unsterblich. Es ist auch keineswegs das erste Mal, dass sie sich unter primitivsten Bedingungen durchschlagen müssen.
Aber die Unsterblichkeit ist eine verdammt relative – die Zellaktivatoren schützen weder gegen Erfrieren noch gegen Ertrinken oder sonstigen gewaltsamen Einwirkungen, denen man in freier Natur ohne Ausrüstung ausgesetzt ist.
Es heißt also, sich zunächst durchzuschlagen und das einfachste Überleben sicherzustellen. Fragen nach dem »großen kosmischen Zusammenhang« oder den Hintergründen stellen sich in einer solchen Situation nicht. Wenn Durst die Kehle ausdörrt, Hunger im Gedärm wühlt und klamme Finger zu erstarren drohen, reduzieren sich die Dinge zwangsläufig auf die wichtigen. Und die heißen zum Beispiel Nahrungsbeschaffung, Nachtlager herrichten oder Feuer machen.
In dieser Situation ist es zunächst nicht von Belang, was ansonsten auf Baikhal Cain vor sich geht, jenem Planeten im Sternenozean von Jamondi, auf den es die beiden Männer verschlagen hat. Es interessiert auch zunächst nicht, wie sich die Lage im Hayok-Sektor oder der übrigen Milchstraße entwickelt – schon ein verstauchter Knöchel kann in der Wildnis fatal sein, unter Umständen den Tod bedeuten.
Rhodan und Atlan sind zwar topfit und körperlich höchst leistungsfähig – dank ihrer Zellaktivatoren sogar leistungsfähiger als Normalsterbliche. Aber sie sind auch von den Errungenschaften der Zivilisation verwöhnt, die sie normalerweise bei jedem Schritt, Tag und Nacht mit allen nur denkbaren Annehmlichkeiten begleitet.
Es heißt also, all das möglichst schnell abzustreifen, nicht mit der Situation zu hadern oder einem ablenkenden »Hätte und sollte« nachzuhängen und die Überlebensinstinkte voll zum Tragen zu bringen. In dieser Hinsicht ist Atlan seinem terranischen Freund gegenüber natürlich im Vorteil, schließlich hat er lange genug unter vergleichbaren Primitivbedingungen die Barbarenwelt Larsaf III kennen gelernt und kann mit seinem fotografischen Gedächtnis auf diese Erfahrungen zurückgreifen.
Leicht ist es auch für den Arkoniden nicht, doch ihm wird nicht umsonst ein beträchtliches Überlebenspotenzial nachgesagt, ohne das er nie die inzwischen mehr als 23.000 Lebensjahre erreicht hätte.
Es ist also durchaus ein beträchtliche Maß Können und Erfahrung, das die beiden Männer nicht nur die ersten Tage überstehen, sondern auch Zug um Zug weiter voranschreiten lässt. Glück gehört selbstverständlich ebenfalls dazu, doch hier darf wohl mit vollen Recht vom »Glück des Tüchtigen« gesprochen werden.
Die das reine Überleben betreffenden Aspekte stehen zwar im Vordergrund von Denken und Handeln, die »übrigen Dinge« jedoch sind nur aufgeschoben und auf der Prioritätenliste nach hinten gerückt. Rhodan und Atlan wären nicht jene, als die sie bekannt sind, würden sie sich im Hinterkopf nicht doch damit beschäftigen – zumal es inzwischen eine Reihe von merkwürdigen Erlebnissen gab, mit denen sich vorläufig mehr Fragen als Antworten verbinden.
Sie reichen vom Auftauchen des erst teilweise materialisierten Kugelsternhaufens an sich über die wenigen Andeutungen, die der ES-Bote Lotho Keraete gemacht hat, bis hin zu dem, was sie auf Baikhal Cain an Legenden und Mythen zu hören bekommen haben. Inwieweit diese bislang nur in legendenhafter Verbrämung erfahrenen Dinge einen konkreten Hintergrund haben und für ihren weiteren Weg von Bedeutung werden, muss sich erst herausstellen. Bis auf weiteres steht das Überleben im Vordergrund.
Erst danach können – vielleicht – die anderen Dinge angegangen werden. Beispielsweise herauszufinden, welche Gefahr wirklich von der Bastion von Parrakh und dem Sternenozean von Jamondi insgesamt ausgeht, ob und was tatsächlich hinter Begriffen wie Schutzherren von Jamondi, Mediale Schildwachen, Verrat eines Schutzherrn und Herrschaft der Kybb steckt – oder gar eine Rückkehr in die Milchstraße.
Wie die Chancen der beiden Unsterblichen wirklich aussehen, muss sich erst noch herausstellen. Im Roman wird geschildert, dass es alles andere als leicht ist ...
Rainer Castor