Bezogen auf das einzelne Individuum des Standarduniversum, selbst wenn es Perry Rhodan oder Atlan heißt und potenziell unsterblich ist, erscheint bereits eine Superintelligenz als Koloss, dessen exakte Möglichkeiten von uns nur vage einzuschätzen sind. In jedem Fall muss die in einer solchen Wesenheit konzentrierte Macht als beachtlich angesehen werden – was andererseits keineswegs bedeutet, dass Superintelligenz gleich Superintelligenz ist oder nicht zu bekämpfen sowie zu töten sei.
Wenn es nämlich eine wichtige Erkenntnis aus dem mit dem Thoregon-Komplex verbundenen Geschehen gibt, dann die, dass auch höhere Wesenheiten trotz ihrer in Jahrmillionen rechnenden Lebensspanne wie alles Leben geboren werden, wachsen und sterben. Mag ihre Macht noch so beachtlich sein, ewig und unvergänglich sind selbst sie nicht.
Dass es auch für »niedere Lebensformen« Mittel und Weg gibt, gegen solche Geschöpfe zu bestehen oder vorzugehen, zeigte zwar schon die Auseinandersetzung mit Seth-Apophis. »Neu«, wenngleich bei genauer Betrachtung eigentlich zu erwarten, war die Beobachtung, dass das Sterben höherer Lebensformen keineswegs die Ausnahme darstellt – siehe PULCIA die Heilerin, SEELENQUELL oder KABBA.
Wesenheiten, deren Körper meist auf einen »Anker« beschränkt und deren Geist im Allgemeinen im Sinne eines Bewusstseinskollektivs aufzufassen ist, mögen zwar – wie ESTARTU und VAIA gezeigt haben – deutlich schwerer umzubringen sein als ein einfaches Individuum. Aber es ist möglich, es geschieht und wird weiterhin geschehen!
Da inzwischen vom »Erlöschen« der Materiequelle GOURDEL die Rede ist, können wir wohl annehmen, dass sich dieses Leben und Sterben auch bei der nächst höheren Entwicklungsstufe fortsetzt und nicht einmal vor den Kosmokraten und Chaotarchen Halt macht – zumindest hinsichtlich des Herrn der Elemente und seiner Devolution kennen wir hierzu ein konkretes Beispiel. Durchaus möglich, dass man irgendwann also über die Leiche eines Kosmokraten »stolpert« ...
Die Aktivitäten der Superintelligenz THOREGON müssen vor diesem Hintergrund gesehen werden. Selbst wenn wir uns die Anwendung menschlicher Moral verkneifen, bleibt festzuhalten, dass der THOREGON-Plan reichlich größenwahnsinnig angelegt war. Gleichzeitig wies er jedoch durchaus eine innere Logik auf, die eigentlich sogar Erfolg versprach und bis zu einem gewissen Grad die Hohen Mächte in Bedrängnis gebracht hat – zumindest so weit, dass es des persönlichen Eingreifens eines Kosmokraten bedurfte.
Seit die Menschheit mit der Thoregon-Thematik konfrontiert wurde, erhielt sie gleich in mehrfacher Hinsicht einen erweiterten und vertieften Blick ins kosmische Geschehen: Wir erfuhren beispielsweise von den Dienern der Materie und ihren Kosmischen Fabriken ebenso wie von den Chaotendern auf der Gegenseite. Unser Blick in die ferne Vergangenheit erweiterte sich in gleicher Weise wie der in die Weiten den Universums. Und wir erfuhren, dass viele scheinbar getrennt für sich stehende Ereignisse in ein viel größeres Ganzes eingebunden waren und sind.
Als beispielsweise der Schwarm die Milchstraße heimsuchte und die Wesen verdummen ließ, verbunden mit ungezählten Opfern, ahnte niemand, in welchen Hintergrund er und die Cynos eingebettet waren. Selbst als mit BARDIOC und seinem Verrat weitere Zipfel des Rätsels gelüftet und die Aktivitäten der Sieben Mächtigen mit ihren Sporenschiffen bekannt wurden, war das erst ein Teil des Bildes, dessen tatsächliche Komplexität noch viel weiter reichte.
Im Rückblick mag es »melancholisch« stimmen, dass der Schwarm alles andere als ein Unikat war, dass er sogar zur quasi letzten Generation dieser Gebilde gehörte und für rund eine Million Jahre nicht einmal versucht wurde, die Herrschaft der Schwarmgötzen vorzeitig zu beenden. Aber es bleibt nun mal nicht aus, dass mit jeder neu gewonnenen Erkenntnis das Alte hinterfragt und unter Umständen sogar komplett revidiert werden muss.
Parallel zu den seinerzeit ermittelten Informationen über Mächtige, Sporenschiffe und Lebensquanten erfuhr die Heimat der Menschheit eine beispiellose Odyssee, die, wie wir nun wissen, ebenfalls nur ein Teilbild widerspiegelte. Die Versetzung in den Mahlstrom der Sterne war genauso wenig »purer Zufall« wie die Aufnahme von 20 Milliarden Menschen durch ES. Menschen, die inzwischen mit den Nocturnen-Stöcken – vormals als Vojariden die »Geburtshelfer« bei der Entstehung der eigentlichen Superintelligenz, nachdem diese als geschwächte Wesenheit die Erde erreicht hatte – eine neue Aufgabe auf der Minusseite des Standarduniversums übernommen haben.
Mit der wachsenden Informationsmenge und ihrer ebenfalls komplexer werdenden Vernetzung untereinander war es im Rückblick betrachtet wohl fast zwangsläufig, dass ES ins Zentrum des Blickfelds geriet. Die zuvor nur als »Schwester« bekannte Superintelligenz ESTARTU erwies sich in ihrer früheren Form als Ursprung, ohne dass die wahre Herkunft schon entschlüsselt wäre. Viel mehr als die Namen der Sporenwolke Sorrmo und des Koridecc-Schmetterlings, die um 18,415 Millionen Jahre vor Christus im Auroch-Maxo-System durch Verschmelzung die »grenzenloses Glück« genannte Wesenheit bildeten, kennen wir weiterhin nicht.
Aber schon ESTARTU war in den Thoregon-Komplex eingebunden, so dass sich nun zumindest in dieser Hinsicht ein Kreis schließt: ES trieb über Jahrmillionen hinweg ein »Doppelspiel« und schuf auf diese Weise zumindest die Voraussetzungen für das nun zweifellos eingeleitete Finale. Wie die Auseinandersetzung nach der Vernichtung des Analog-Nukleotids ausgeht, schildert der Roman.
Unabhängig vom Ausgang dieses Finales kann wohl schon jetzt festgehalten werden, dass es Ergebnisse gibt, deren Konsequenzen sich erst noch herausstellen müssen. Die Erfahrung und das damit verbundene Misstrauen lehren, dass es auch in Zukunft nicht einfacher werden wird ...
Rainer Castor