PERRY-RHODAN-Kommentar 2190


THOREGON-PLAN? (II)


Hat ein Kosmonukleotid Informationen abzugeben, formieren sich – so das gängige Modellbild – Psiqs in einer bestimmten Reihenfolge entlang seiner »Wandung«. Diese Formation bewirkt außerhalb die Entstehung eines Messengers, der die in den Psiqs enthaltenen Informationen kopiert. Nach bisherigem Wissen besteht ein Messenger ebenfalls aus hyperenergetischen psionischen Feldern. Nachdem sich sein Anfang bei einem beliebigen Nukleotid gebildet hat, übernimmt er üblicherweise auch die Informationen sämtlicher zum selben Kosmogen gehörender Nukleotide, bis die Information des gesamten Kosmogens übertragen ist.

Vom letzten Nukleotid legt der Messenger ab und wird durch den Hyperraum zu dem Ort im Standarduniversum versetzt, an dem die kopierte Information wirksam werden soll. Über die Art, wie der Messenger wirksam wird, sind keine Einzelheiten bekannt. Ebenfalls unklar ist, inwieweit die potenziellen Welten eines Kosmonukleotides real verwirklicht sind oder ob sie tatsächlich nur als Wahrscheinlichkeitsform anzusehen sind.

Psiq-Gruppen, die »Fehlinformationen« tragen, also beispielsweise über potenzielle Zukünfte mit geringem Wahrscheinlichkeitsgrad, bleiben im Normalfall auf das Kosmonukleotid beschränkt. Es wird vermutet, dass sie sich irgendwann auflösen. Es kann allerdings auch sein, dass sie als Träger paralleler Wahrscheinlichkeiten erhalten bleiben. Fest scheint nur zu stehen, dass sie im Regelfall nicht in einen Messenger kopiert und abgestrahlt werden.

Für das von der Superintelligenz THOREGON geschaffene Analog-Nukleotid bieten sich also verschiedene Formen der Einsatzmöglichkeit. Einerseits kann es dazu benutzt werden, »Pseudo-Messenger« zu erstellen – umschrieben als »METANUS Lodern«.

Über die Schnittstellen der Mega-Dome ins Standarduniversum entlassen, rufen sie direkt vor Ort gewünschte Wirkungen hervor. In diese Kategorie der Manipulation dürften beispielsweise plötzlich transitierende oder ihre Bewegung verändernde Galaxien fallen, von denen die Pangalaktischen Statistiker berichtet haben. Aber auch das Erlöschen der Materiequelle GOURDEL könnte damit gemeint sein.

Eine zweite Manipulationsmöglichkeit besteht darin, sich mit gezielt kodierten Pseudo-Messengern unter das normale Messenger-Geschehen zu mischen, so dass Psiq-Informationen verfälscht oder ins Gegenteil verkehrt werden oder gar die natürliche Kopierung und Abstrahlung von Messengern unterlaufen wird. Mit vermutlich katastrophalen Auswirkungen, weil auf diese Weise auch die oben angesprochenen Welten von geringem Wahrscheinlichkeitsgrad konkret realisiert würden.

Weiterhin kann nach den Aussagen und Befürchtungen der Statistiker nicht ausgeschlossen werden, dass die Pseudo-Messenger vielleicht sogar die Fähigkeit besitzen, in die natürlichen Kosmonukleotide einzudringen oder Fehlinformationen in sie einzuspeisen, so dass als Ergebnis das ganze Psiq-Spiel aus den Fugen gerät. Wir hätten es dann quasi mit einem virusähnlichen Prozess zu tun, bei dem die Kosmonukleotide »infiziert« werden und ihrerseits nur noch jene echten Messenger produzieren, die allerdings dem Programm THOREGONS folgen ...

Dass der Moralische Kode nicht unverletzlich ist, hat die Vergangenheit mehrfach gezeigt. DORIFER kapitulierte vor der massiven Strahlung der spontan deflagrierenden Paratau-Mengen. TRIICLE-9 ließ sich von seinem Ursprungsstandort »entführen« und als Frostrubin von Bewohnern des Standarduniversums, den Porleytern, vor Anker legen. Unantastbar ist der Kode also nicht. Zumindest seine Elemente, die Kosmonukleotide, können in Bedrängnis gebracht werden.

Noch wissen wir nicht, wie der THOREGON-Plan im Einzelnen aussieht, welche Wirkungen im Großen wie im Detail erzielt werden sollen. Fest steht nur, dass THOREGONS Aktivitäten die Hohen Mächte auf den Plan gerufen haben und sie beispielsweise mit den inzwischen stationierten Galaxienzündern in massiver Form dagegen vorzugehen beabsichtigen – sofern nicht im quasi letzten Augenblick, so zumindest die Hoffnung an Bord der SOL, die beabsichtigte Manipulation noch verhindert werden kann.

Unabhängig von diesen ins Standarduniversum oder gar ins Multiversum hineinreichenden Manipulationen muss auch ein weiterer Aspekt bedacht werden. Mit der Stationierung des Analog-Nukleotids im Ersten Thoregon könnte auch verbunden sein, dass die im »Außerhalb« angesiedelten Thoregons über die Vernetzung der Brücke in die Unendlichkeit die Qualität eines »echten neuen Multiversums« mit eigenem Moralischen Kode entwickeln. Würden irgendwann die Verbindungen gekappt, hieße die Konsequenz eine komplett eigenständige Entwicklung – mit THOREGON als »Schöpfer« ...

Es ist nicht klar, in welche Richtung die Ziele des THOREGON-Plans genau tendieren. Möglicherweise sieht er sogar in abgestufter Weise sämtliche angesprochenen Punkte vor, also Unruhe, Störung und Manipulation im Einflussbereich der Hohen Mächte wie die letztlich angestrebte Kappung der Verbindung und der Entwicklung hin zum »eigenen« THOREGON-Multiversum.

Vor diesem Hintergrund müssen die Versuche der SOL-Besatzung in jeder Hinsicht als »letzte Verzweiflungstat« angesehen werden, deren Chancen genau betrachtet nur als denkbar schlecht einzustufen sind. Atlan & Co. mischen sich in Dinge ein, die sie deutlich überfordern, die problemlos als Selbstüberschätzung anzusehen sind ... wären da nicht das Rätsel im SOL-Flansch und der Zettel mit der Botschaft, die Atlan zweifellos an sich selbst gerichtet hat.

Es mutet zwar wie ein Vabanquespiel an, sich auf solch vage Hinweise und Hoffnungen zu verlassen. Aber es bleibt Atlan in der derzeitigen Situation vermutlich kaum etwas anderes übrig, soll er – und mit ihm die SOL-Besatzung – nicht von vornherein resignieren und das Handtuch werfen ...

Rainer Castor