PERRY-RHODAN-Kommentar 2179


STASIS


Stasis – griechisch »das Stehen, Stillstand« – dient als Oberbegriff für eine ganze Reihe von Effekten, Phänomenen und Methoden mit recht unterschiedlichen Ursachen. Allen ist gemeinsam, dass etwas oder jemand »ruhig gestellt«, in der normalen Bewegungsfähigkeit behindert oder auch komplett konserviert werden soll – im Extrem bis hin zu einer »Manipulation« der Zeit und ihres normalen Ablaufs an sich.

So unterschiedlich die in der Natur bekannten »Stasisformen« wie auch die mitunter davon abgeleiteten künstlichen Anwendungen sind, so unterschiedlich sind auch die Mittel und Wege. Sie reichen von konventionellen chemischen, physikalischen und biologischen Anwendungen bis zu jenen, die sich aus den hyperphysikalischen Gesetzmäßigkeiten ergeben.

Ob die Haltbarmachung und Konservierung von Lebensmitteln durch Einfrieren, den Einsatz von Salz und Ähnliches, über die Winterruhe und den Winterschlaf von Tieren, diverse Arten der Mumifizierung, Gefriertrocknung, Tiefsttemperaturanwendungen der Kryotechnik bis zur relativistischen Zeitdilatation, hyperenergetische Fesselfelder oder die dauerhafte Entmaterialisierung in entsprechenden Energiekokons – stets ist »Stasis« das Ziel und wird bis zu einem gewissen Grad auch erreicht.

Beim Bio-Tiefschlaf, auch suspendierte Animation oder Hibernation genannt, handelt es sich beispielsweise um ein Verfahren, das in gewisser Weise den Winterschlaf von Tieren simuliert, obwohl Menschen normalerweise dazu nicht in der Lage sind. Mit Hilfe von Spezialmedikamenten, der Abkühlung des Organismus sowie diverser Hyperfelder zur Unterstützung der Stasis wird ein Zustand erreicht, bei dem Herzschlag, Atmung und alle anderen Lebensfunktionen fast auf Nullwert gesenkt werden und das Bewusstsein ausgeschaltet ist. Eine Ernährung erfolgt, soweit bei diesem »medizinisch toten« Zustand nötig, intravenös.

Das Prinzip des arkonidischen Tiefschlafes, dessen Erfindung aus den ersten Jahren der stellaren Raumfahrt stammte, sah eine freie Auswahl der Phasenlänge innerhalb bestimmter Grenzen vor; als Maximalwert galt eine Dauer von rund 423 Arkon- oder 500 Erdjahren. Um ein über diesen »Scheintot« hinausgehendes völliges Sterben (Gehirntod) zu verhindern, war natürlich permanente medizinische Überwachung notwendig. Dennoch handelte es sich um einen belastenden Vorgang: Je nach Tiefschlaflänge vergingen zwischen 35 und 40 Stunden, bis der Tiefschläfer erstmals wieder das Bewusstsein erlangte.

Hierbei war es vor allem für Arkoniden notwendig, dass das Erwachen von akustischen und optischen Reizen begleitet wurde, die unmittelbar vor dem Tiefschlaf stattfanden, um das Gehirn zur höheren Aktivität anzuregen: Vor dem Schlaf paramechanisch aufgezeichnete Szenen wurden abgespielt, um den »Anschluss« ans bewusste Leben zu gewinnen, weil ansonsten unter Umständen Wahnsinn drohte. In einem zweiten Schritt musste dann der Körper wieder ans bewusste Leben gewöhnt werden: Massagen, Aktivierungsprozeduren und eine langsame Rückgewöhnung an feste Nahrung waren erforderlich. Anschließend folgte das Muskelaufbautraining.

Insgesamt handelte es sich um ein Procedere, das, ebenfalls in Abhängigkeit von der Tiefschlaflänge, mitunter 200 und mehr Stunden in Anspruch nahm. Erst dann war ein Tiefschläfer wie Atlan in der Lage, normal zu agieren – der Unsterbliche zog sich bekanntlich im Verlauf seiner zehntausendjährigen Larsaf-Verbannung immer wieder in seine Schutzkuppel bei den Azoren zurück.

Parallel zu den medizinisch notwendigen Abläufen wurde Atlan in den Stunden nach dem Abstreifen der Tiefschlaf-Bewusstlosigkeit über die neue Lage an der Larsaf-Oberfläche informiert; Sprache, Kulturinformationen und Dinge dieser Art wurden per Hypnoschulung im Schnellverfahren gelernt, während in den Tiefen der Kuppelstation die Subroboter an der Zusammenstellung der Ausrüstung arbeiteten und arkonidische Hightech so als Gebrauchsgegenstände tarnten, so dass sie nicht auffielen.

Einem ganz anderen Ansatz folgt die Konservierung, der offenbar die beiden Algorrian unterworfen wurden – ob freiwillig oder durch Zwang muss sich noch herausstellen. Bezeichnend ist allerdings, dass man an Bord der SOL mit Sershan Contagi Peiragon schon einmal mit dieser Stasismethode konfrontiert wurde. In beiden Fällen wird der Körper von einem unbekannten glasähnlichen Material umhüllt, das sich bei Anwesenheit denkender Wesen aufzulösen beginnt und schließlich spurlos verschwindet.

Die Stasis der SOL schließlich, die offensichtlich auf einer Art »Zeitfeld« beruht, in dessen Einflussbereich der normale Ablauf komplett zum Erliegen kommt, kann als die extremste Form angesehen werden, da hier direkt am »Fundament« angesetzt wird. Vergeht relativ zur Außenwelt im Inneren der Enklave keine Zeit, ist der Stillstand perfekt. Es gibt nicht die geringste Entwicklung, kein Altern, keine Bewegung, oder – wie Monkeys Lamuuni auf seine vage Art »behauptete« – eben keine Zeit.

Dass mit Hyperfeldern mitunter »Zeitanomalien« im Sinne von Verzerrungen, Beschleunigungen oder Dilatationseffekten verbunden sind, liegt in der Natur der Sache und gehört zum Basiswissen der Hyperphysik. Über den Umweg von Hyperenergie und Hyperraum lassen sich nun mal konventionelle Bedingungen und Gesetzmäßigkeiten des vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuums manipulieren, und dazu gehören dann auch die Zeit und ihr Ablauf.

In der Regel wird beim normalen Einsatz darauf geachtet, derartige Anomalien zu vermeiden, aber sie lassen sich natürlich auch gezielt nutzen. Das mit einem bläulichen Leuchten verbundene Stasisfeld, das die SOL im Griff hält, ist zwar in dieser spezifischen Form weder Alaska Saedelaere noch Monkey bekannt, aber sie wissen es selbstverständlich einzuschätzen. Im Roman wird geschildert, wie sie dagegen vorgehen, um den goldenen Hantelraumer zu befreien ...

Rainer Castor