Noch ist nicht klar, welcher Zusammenhang zwischen den irregulär auftretenden Zeitbrunnen und der Brücke in die Unendlichkeit besteht. Dass es jedoch einen solchen gibt, belegen die bisherigen Erlebnisse von Alaska Saedelaere und Monkey, die von Trokan aus nach dem »Zwischenstopp« im Schwarm Kys Chamei ihr nächstes Ziel erreicht haben – und hier offensichtlich direkt in der berüchtigten »Höhle des Löwen« herausgekommen sind. Schon die ersten Stunden sprechen eine beredte Sprache.
Erstens ist da der Mochichi Chiffa Phi – der sich für ihre Freiheit geopfert hat. Chiffa Phi wollte von ihnen wissen, ob sie Kosmokratenboten seien. Denn die Gruppe, für die er anscheinend steht, zu der auch ein zunächst mysteriöser Fremder namens Ghem Jhegar gehört, will laut Chiffa Phis Aussage mit den Ordnungsmächten zusammenarbeiten. Zweitens sind da die mysteriösen Kattixu – diese befinden sich angeblich auf Zeitbrunnenjagd. Eine solche ist aber nur dann sinnvoll, wenn in einem Gebiet häufig Zeitbrunnen auftreten. Sofern sie Chiffa Phi richtig verstanden haben, stempelt allein ihre Herkunft aus einem Zeitbrunnen sie zu Feinden der Kattixu.
Recht schnell stellt sich für die beiden Unsterblichen heraus, dass sie offensichtlich in der Tat das Erste Thoregon erreicht haben, wenngleich zunächst noch unklar bleibt, worum es sich hierbei nun genau handelt. Die Anwesenheit von Helioten lässt kaum Zweifel – obwohl der erste Heliot, dem sie nahe kommen, von einer fürchterlichen, erschreckend aggressiven Aura umgeben ist, was erstens dem genauen Gegenteil der bisherigen Erfahrungen entspricht und zweitens die »zuckersüße Friedfertigkeit« als Maske entlarvt, die nichts über die wahre Natur dieser Geschöpfe aussagt.
Die hiesigen Bewohner jedenfalls sehen sich allesamt als Thoregons Kinder. Für sie ist Thoregon der »allgegenwärtige Sonnengott«, allgegenwärtig auf jedem Planeten, denn »Thoregon wohnt in jeder Sonne«. Ob es sich hierbei nur um mystisch Verbrämtes oder um Aberglauben handelt oder ob sich hinter diesen Aussagen mehr verbirgt, kann derzeit noch nicht gesagt werden. Fest scheint allerdings zu stehen, dass der Begriff Thoregon im Sinne eines Namens verwendet wird.
Als Alaska und Monkey schließlich Ghem Jhegar begegnen, erklärt dieser, dass die Zeitbrunnentätigkeit direkt im Ersten Thoregon keineswegs vorgesehen sei und eine potentielle Gefahr bedeute, weil nämlich Besucher ins Innere der »eigentlich unerreichbaren« PULS-Zone gelangen, die dafür keinerlei Berechtigung besitzen. Deshalb wurden die Kattixu ermächtigt, auf Zeitbrunnen und vor allem ungebetene Besucher Jagd zu machen, die auf diese Weise das Erste Thoregon erreichen.
Nach und nach ordnen sich dann die Einzelbeobachtungen zu einem ersten Gesamteindruck. Alaska Saedelaere und Monkey befinden sich demnach keineswegs in einer Galaxis im gewöhnlichen Standarduniversum, sondern offenbar in einer Art Sternhaufen. Dieser umfasst nach Monkeys Schätzung rund 250.000 Sterne. Der Durchmesser des Raumgebiets dürfte bei etwa 450 Lichtjahren liegen, während der Rest des Universums von Ord Regimen aus nicht sichtbar ist. Dass sich eine Viertelmillion Sonnen in einem PULS befinden sollen, erscheint auf den ersten Blick schwer vorstellbar, zumal in einem von 450 Lichtjahren Durchmesser – hat doch der PULS von DaGlausch eben mal 0,82 Lichtjahre Durchmesser. Auf der anderen Seite fehlt das restliche Universum.
Kann es sein, dass das Erste Thoregon tatsächlich diese Größe besitzt? Welche Folgerungen ergeben sich daraus? Spricht die Größe dafür, was auch in den anderen Thoregons möglich wäre, bestünde nicht die jeweilige Vereinbarung wie im Vertrag von DaGlausch, den PULS nicht auszudehnen? In welchem Zusammenhang steht die Größe zum Stabilisierungsaufwand? Lässt sich daraus etwas über die Anzahl möglicherweise beteiligter Superintelligenzen ableiten? – Immerhin befinden sich im PULS von DaGlausch derer sechs, während es in Segafrendo nur ESTARTU war und über das Tradom-Thoregon in dieser Hinsicht bislang nur der Name Anguela bekannt ist.
Und wie ist es mit dem Ersten Thoregon? Von den Helioten und dem Glauben der hiesigen Bewohner an den »allgegenwärtigen Sonnengott« abgesehen, gibt es noch keinen Hinweis auf irgendwelche »höheren Entitäten«, wie immer diese auch aussehen oder beschaffen sein mögen. Es ist nicht einmal sicher, ob es hier neben den Helioten selbst solche Wesenheiten überhaupt gibt.
Gesichert ist dagegen, dass hier die Mega-Dome entstehen, die die Einzel-Thoregons miteinander per Brücke in die Unendlichkeit verbinden. Rings um energetische Gerüste werden hierzu vorproduzierte »Stadtteile« platziert. Weltraumtraktoren bringen Viertel auf Viertel heran. Arbeitskräfte fügen dann – von Helioten überwacht – mit Hilfe exotischster Gerätschaften die Viertel zu Ringstädten von unterschiedlichem Durchmesser zusammen.
Je geringer der Durchmesser, desto stärker geneigt sind die verbauten Stadtviertel. Mehrere der sehr kleinen Ringe werden zu einer flach gewölbten Konstruktion verbunden und gemeinsam mit größeren Ringen von Weltraumtraktoren Richtung Orbit geschleppt, wo schließlich riesig gewölbte Hohlkuppeln entstehen – die Pilzhüte von Mega-Domen!
Saedelaere und Monkey können im Inneren zahlreiche trägerartige Formenergie-Strukturen erkennen, später werden weitere Weltraumtraktoren mit massiven Blöcken beobachtet, die ihre Positionen im Hohlraum einnehmen und diesen nach und nach füllen – offenbar die Technik, die mit den Funktionen eines Mega-Doms zu tun hat. Möglich, dass irgendwo im Bereich des Thoregon-Sternhaufens auch die zu einem Mega-Dom gehörenden Pilzstämme produziert werden, sofern sie nicht erst »vor Ort« als formenergetische Projektion entstehen, immerhin hat die Besatzung der SOL ja nur den Abtransport eines Pilzhuts beobachtet.
Und dann beobachten die beiden Unsterblichen die Ankunft der SOL ...
Rainer Castor