PERRY-RHODAN-Kommentar 2156


TROKAN UND DIE HERREACH


Der Planet Trokan stammt aus dem Arresum, der »anderen Seite des Standarduniversums«, die gemäß dem Möbiusmodell im Gegensatz zu unserer Plusseite des Parresums auch als Minusseite bezeichnet wird: Am 9. April 1218 NGZ wurde Mars von den Ayindi gegen Trokan ausgetauscht, weil der vierte Planet des Solsystems von Kristallen der Abruse eingehüllt war und das von ihm ausgehende Todesfeld die Evakuierung Terras notwendig gemacht hatte. Zwar erlosch dieses nach dem Austausch, doch ein Bereich negativer Strangeness verhinderte anfangs, dass die Welt betreten werden konnte.

Trokan zeigte sich zunächst als eine zernarbte Ödwelt; die Masse ist mit Mars identisch, der Durchmesser etwas größer. Die Bahnwerte und der Fünfundzwanzig-Stunden-Tag stimmen ebenfalls weitgehend mit dem Mars überein. Phobos und Deimos dagegen wurden mit dem Mars ins Arresum transferiert. Trokans sehr dünne Atmosphäre hat lediglich zwölf Prozent Sauerstoff; nachts sinkt die Temperatur oft unter den Gefrierpunkt, tags steigt sie selten über zwölf Grad.

Um geheimnisvolle Ereignisse genauer zu untersuchen, flog der Forschungsraumer POLYAMID mit Boris Siankow und dem LFT-Kommissar Geo Sheremdoc am 15. September 1222 NGZ nach Trokan. Für außenstehende Beobachter sah es dann so aus, als hinge das Schiff plötzlich bewegungslos über dem Planeten, dann wurde es durch zunächst ungeklärte Ursachen vernichtet. Später wurde klar, dass genau zu dieser Zeit das so genannte Zeitrafferfeld mit seiner Arbeit begonnen haben musste – und dessen Gewalten war die POLYAMID nicht gewachsen gewesen.

Hintergrund war, dass der Cantrell-Mutant Kummerog das Passantum Zenndicyl Pervorat Zeuns, des Vierten Boten von Thoregon, an sich gebracht hatte und mit dessen Hilfe auf die »Brücke in die Unendlichkeit« gelangt war. Weil er sich weigerte, das armbandförmige Gerät abzulegen, trennte ihm dieses die linke Hand ab. Weil er nun die Brücke nicht mehr verlassen konnte, schleuderte er eine miniaturisierte Zeitmaschine aus dem Arsenal der Baolin-Nda mit seiner Hand und dem Passantum durch den Pilzdom nach Trokan. Gemäß Kummerogs Programmierung beschleunigte sie den Zeitablauf um den Faktor 3,7012 Millionen und hüllte den Planeten in das Zeitrafferfeld.

Die Geschöpfe, die sich im Verlauf der Jahrmillionen aus dem Biomaterial der Hand entwickelten, nannten sich zunächst Kherrah, später Herrach und schließlich Herreach. Entsprechend Kummerogs Programmierung weckte die Zeitmaschine in den Herreach den Drang, ihren »Gott Kummerog« aus seinem Tempel zu erlösen. Nachdem im relativen Zeitablauf Trokans rund zweihundertfünfzig Millionen Jahre vergangen waren, entdeckten Herreach Hinterlassenschaften der Ayindi und lösten unabsichtlich eine sechsdimensionale Schockwelle aus, wie sie Kummerog als Indiz für eine ausreichend hohe Entwicklungsstufe vorgegeben hatte – das Zeitrafferfeld erlosch am 12. Oktober 1288 NGZ.

Da es aufgrund des Zeitrafferfeldes während ihrer Entwicklung keinen Wechsel von Tag und Nacht, sondern einen ständigen Dämmerzustand gab, entwickelten sich die Herreach zu relativ ausgeglichenen, geradezu emotionslosen Wesen, die zurückgezogen lebten und keinen Ehrgeiz kannten. In ihrem Drang, Kummerog aus seinem Tempel zu befreien, hatten sie die Fähigkeit erlangt, in gemeinsamer religiöser Gebetstrance Manifestationen zu erschaffen, beispielsweise den Zwerg Palomin, den vielgestaltigen Brodik, die mehrachsige Gretra und den Riesen Schimbaa.

Das Ende des Zeitrafferfeldes, insbesondere aber die Zerstörung des Kummerog-Mythos stürzte die Herreach zunächst in eine tiefe Sinn- und Existenzkrise. Das weitgehend religiös orientierte Volk stand der technischen Zivilisation der Terraner, die insbesondere von den Clerea abgelehnt wurde, ziemlich verständnislos gegenüber. Im Kontakt mit den Terranern entwickelte sich allerdings eine neue Gruppe, die Neuen Realisten, die den Mysterienkult ihrer Artgenossen ablehnten und sich am technischen Fortschritt orientierten.

Das Volk der Herreach besteht aus etwa 145 Millionen Individuen. Sie alle leben verstreut über den etwas fruchtbareren Äquatorgürtel von Trokan, jedoch immer in der Nähe von sieben Ballungszentren, die den Städten Moond, Keerioch, Hovver, Galanter, Pröoon, Klob und Dubon zugeordnet sind. Moond ist die einzige Stadt mit mehr als einer Million Einwohnern; die übrigen Städte liegen bei je rund 500.000. Der Rest der Bevölkerung lebt als Bauern in der Steppe.

Dank des einfühlsamen Wirkens der Vandemar-Zwillinge wurden die Barrieren zwischen Herreach und Terranern etwas abgebaut. Während der Besetzung des Solsystems durch den Philosophen Dreur gelang es der obersten Künderin Presto Go, Cleros, Freiatmer und die Neuen Realisten zu einem gemeinsamen Vorgehen zusammenzuführen. Presto Go stellte die Doktrin auf, dass die Herreach nun ohne terranische Bevormundung eigene Wege beschreiten und aus eigener Initiative handeln sollten.

Es zeigte sich aber, dass der Riese Schimba in der Lage war, sowohl den Tempel Kummerogs, also die Zeitmaschine, als auch Geoddas Brutkosmos zu öffnen. Während der Bedrohung durch Goedda erzeugten die Herreach zunächst als Inkarnationen panischer Furcht andere Manifestationen wie die schwirrenden Enacho, den angstgeborenen Axamit und die schreckschreiende Gumbuda. Trotz des auf Eigenständigkeit bedachten Weges waren die Herreach bereit, terranische Raumschiffe zu besteigen, um Goeddas Philosophen zu bekämpfen, die sich in neue Kleine Mütter zu verwandeln drohten ...

Nicht einmal ein Vierteljahrhundert ist seit jenem erschütternden Tag vergangen, da die Herreach erstmals mit dem Tageslicht konfrontiert wurden. Dass sie nun in den Blick der Öffentlichkeit rücken, hat allerdings weniger mit ihnen zu tun als vielmehr mit dem rätselhaften Zusammenhang zwischen Pilzdom und den plötzlich erscheinenden Zeitbrunnen.

Rainer Castor