Rein äußerlich ist die JOURNEE nichts Besonderes: ein hundert Meter durchmessender Kugelraumer der bewährten MERZ-Basiszelle eines VESTA-Kreuzers. Inzwischen viele hunderttausend Mal gebaut und hinsichtlich der Grundparameter völlig ausgereift. Wie bei allen Schiffen dieser Mehrzweckbauweise ist das wichtigste Merkmal die knapp unter dem äquatorialen Aggregatband befindliche MERZ-Modul-Bucht, während sich oberhalb davon ein Roll-On-Roll-Off-Hangar befindet.
Die 40 Meter breite und 45 Meter hohe MERZ-Bucht dient der Aufnahme unterschiedlichster Module, die die VESTA-Kreuzer für ihre jeweilige Aufgabe spezifizieren, grundsätzlich aber ein sehr großes Einsatzspektrum gestatten. In der offenen Bucht kann auch sperriges Material als Außenlast transportiert werden, welches dann durch Fesselfelder und Traktorstrahlen fixiert wird.
Die JOURNEE ist ein »Spürkreuzer« und somit als Spezialeinheit konzipiert, die in der Lage sein soll, fremde Schiffe durch den Hyperraum im extremen Geschwindigkeitsbereich zu verfolgen. Das Schwergewicht der Ausstattung liegt folglich weniger im offensiven, sondern im defensiven Bereich. Die offizielle Kennzeichnung der JOURNEE lautet LE-KR-60 – als Ersatz für die ursprünglich unter dieser Nummer geführte Einheit der LEIF ERIKSSON. Ihre Tauglichkeit hat sie schon beim »Ausflug nach Andromeda« unter Beweis gestellt, deshalb konzentrieren wir uns an dieser Stelle auf die maßgeblichen drei Neuerungen:
Die Ortung
Die Sonderausstattung des Hyperraumspürers ist ein dem Halbraumspürer vergleichbares Gerät, das die Ortung und Anpeilung von anderen Raumschiffen im Hyperraum und damit auch eine direkte Verfolgung ermöglicht. Basierend auf der Paratron-Technologie, gestattet es bis auf eine Distanz von rund 380 Lichtjahren das Anmessen eines sich nähernden Raumschiffes, sofern sich die JOURNEE im Standarduniversum aufhält, sowie die weitere Ortung und Verfolgung, sobald sie selbst auf Überlichtgeschwindigkeit beschleunigt hat (wobei hier jedoch eine Entfernungsangabe im konventionellen Maßstab keinen Sinn mehr macht).
Die Energieversorgung
Beim neu entwickelten Multi-Hyperzapfer werden die verschiedenen Möglichkeiten kombiniert, so dass jeweils das der Situation angemessene Verfahren zur Anwendung kommen kann: Der ausfahrbare, pilzhutähnliche Zapfpol eines Hypertron-Zapfers gestattet die hyperenergetischen Ausstrahlungen einer nahe stehenden Sonne anzuzapfen, während der interne, gegen Ortung abgeschirmte Hypertrop-Zapfer wie üblich ein energiereicheres (entropieärmeres) Kontinuum des Hyperraums anzapft.
Dritte Komponente schließlich ist der Prototyp eines Permanentzapfers, der auf dem von Loydel Shvartz »erfundenen« Lieberman-Prinzip beruht. Im Gegensatz zum normalen Hypertrop, der stets ein »mächtiges Loch« aufreißt, um die Gravitraf-Speicherflutung schnell zu beenden, handelt es sich beim Permanentzapfer um einen Vorgang von deutlich geringerer Leistung. Die Streustrahlung ist ebenfalls von geringer Intensität und kann selbst ohne zusätzliche Abschirmung nur über unwesentliche Entfernungen geortet werden.
Der Vorteil des Permanentzapfer ist vor allem, dass er permanent Hyperenergie verschiedener Frequenzbereiche liefern und Direktverbraucher beschicken kann – es entfällt die sonst notwendige Umwandlung in die jeweils benötigte Energieform des Endverbrauchers. Nachteil ist, dass der Permanentzapfer bislang nicht während eines Metagravmanövers, sondern nur im Standarduniversum eingesetzt werden kann!
Der Antrieb
Das neu entwickelte »Grigorofftriebwerk« ist im MERZ-Modul untergebracht und gestattet einen Überlichtfaktor von bis zu 200 Millionen über die maximale Etappendistanz von 30.000 Lichtjahren. Unabhängig vom ohnehin extremem Energieverbrauch scheint diese Etappendistanz mit noch nicht erforschten »hyperphysikalischen Widerstands-Randbedingungen« zusammenzuhängen. Neben dem Triebwerk selbst ist das Modul mit zwei Hochleistungs-Gravitrafspeichern ausgestattet, die extern geflutet werden müssen – sofern es nicht ohnehin zu einem Komplettaustausch des Moduls kommt. Die Speicherfüllung reicht für maximal fünf 30.000-Lichtjahre-Etappen.
Eingesetzt wird eine dreifach gestaffelte Grigoroffblase, die das Raumschiff von den Einflüssen des Hyperraums abschirmt, ihm ein eigenständiges Miniaturuniversum zuweist und schon durch den Aufbau in der Wirkung dem Metagrav-Vortex entspricht! Jede Einzelschicht rotiert hierbei mit bis zu 2000 Umdrehungen pro Sekunde um eine andere Achse: Schicht 1 um die x-Achse, Schicht 2 um die y-Achse, Schicht 3 um die z-Achse. Da das Feldzentrum überdies auch jeweils entlang der x-, y- oder z-Achse verschiebbar ist, ergibt sich bei der jeweiligen Überlagerung eine vektorierbare Grigoroff(gesamt)blase, ähnlich der des Experimentalraumers FORNAX, der an der Expedition von 1189 bis 1199 NGZ in den Fornax-Cluster teilnahm.
Diese vektorierbare Ausstattung dient jedoch nicht dazu, in andere Universen des Multiversums vorzudringen, sondern zur gezielten Bewegung innerhalb des Hyperraums. Rund ein Jahrhundert Forschungsarbeit sind in das Grigorofftriebwerk eingeflossen, bei dem zunächst eine Geschwindigkeitssteigerung gar nicht das Ziel war.
Die vektorierbare Projektionsweise gestattet eine extrem hohe Beweglichkeit und einen jederzeit unterbrechbaren Hyperraumflug; darüber hinaus kann sogar mit einer »Relativgeschwindigkeit Null« der stationäre Hyperraumaufenthalt für bis zu knapp 79 Minuten aufrechterhalten werden, also exakt die Zeit, die auch eine Etappe bei Maximal-Überlichtfaktor dauert (noch sind die genauen Zusammenhänge nicht erforscht). Zeit, die für die Ortung per Hyperraumspürer oder im Sinne von »verstecken« genutzt werden kann.
Rainer Castor