PERRY-RHODAN-Kommentar 2135


INS UNIVERSUM LAUSCHEN?


Nachdem auf dem Planeten Vision ein zehnter Turm gefunden, in diesem jedoch kein weiterer Pangalaktischer Statistiker angetroffen wurde, stellt sich mehr denn je die Frage, welche Funktion diese Gebilde denn nun genau haben und welcher Zusammenhang zu den Fähigkeiten der Statistiker besteht, ins Universum »zu lauschen«. Denn dass ein solcher gegeben sein muss, lässt sich nach den Erlebnissen von Trim Marath, Startac Schroeder und Atlan schwerlich leugnen.

Der zehnte Turm wurde offenbar schon vor langer Zeit verlassen. Umso erstaunlicher ist es, dass Trim allein durch bloße Konzentration eine Art »Resonanz« hervorruft und in der Lage ist, das riesige Gebilde zu bewegen. Zumindest die Steuerung des Kippvorgangs reagiert auf ihn. Es darf angenommen werden, dass nicht nur die Steuerungsmechanismen auf paramechanischer Technologie basieren, sondern dass auch weitere Funktionen im »Hyper-Psi«-Bereich des hyperenergetischen Spektrums angesiedelt sind.

Die berggroßen Türme überragen als schlanke Spitzkegel die übrige Landschaft. Von fünfhundert Metern Basisdurchmesser verjüngen sie sich bis in dreitausend Meter Höhe auf nur mehr achtzig Meter Durchmesser; die »Spitze« verbirgt sich in einer dünnen, wie Dampf wirkenden Wolkenschicht. Die Turmoberfläche ist bucklig und erinnert an porösen, sandsteinfarbenen Tuff. Erst dreißig Meter über dem spiegelnden Platz gewinnt das Material Festigkeit, bei zwanzig Metern Höhe erscheint es halbtransparent. Ab zehn Metern Höhe ist eine Verfestigung des leicht flimmernden Feldes zu erkennen, auf dem der Turm schwebt.

Als zentrale Achse durchdringt der Schacht den Turm, an dessen Spitze sich normalerweise der Statistiker befindet. Im Falle des leeren zehnten Turms erfolgt eine transmitterähnliche Versetzung in einen fünf Meter hohen und zwanzig Meter durchmessenden »Kontrollraum«. Neben den obligatorischen Schaltpulten, Displays und Projektoren fällt das an ein halbiertes Ei erinnernde Gebilde auf, bei dem es sich offensichtlich um eine Art Konservierungs- oder Stasisanlage zu handeln scheint.

Größe und Passform des »Lagers« deuten auf einen menschenähnlichen, zumindest ungefähr menschengroßen Körper hin. Ob es ein Statistiker war, der hier einmal gelegen haben muss, ist noch unklar – doch die Wahrscheinlichkeit dafür ist groß und damit auch die, dass es sich bei ihnen um körperliche Wesen handelt, welche dann ihr mentales Potenzial ebenso nutzen wie die Möglichkeiten der Türme. Da nach aller Logik sämtliche Türme auf beweglichen Feldern gelagert sind, die Gesamtkonstruktion überdies einer »Parabolantenne« ähnlich ist, dürfte das Kippen dazu dienen, die notwendige Feinjustierung herzustellen.

Soweit wir bislang wissen, beobachten die Statistiker Ereignisse von kosmischer Bedeutung, mindestens in diesem Bereich des Universums. Eine Begrenzung ihrer Reichweite ist nicht bekannt. Besteht also ein spezielles Interesse an einem bestimmten Ereignis, lassen sich die Türme zu einer einzigen Empfangsantenne gruppieren. Oder – auch diese Alternative erwägt Atlan – die Türme werden stattdessen zu einem Sender zusammengeschlossen.

Körperlich passiv, geistig und paranormal aber hochaktiv, darüber hinaus von der besonderen Technik der Türme unterstützt: Es ist zwar bislang nur Spekulation, aber die Fähigkeiten der Statistiker scheinen einem so genannten Zerotraum zumindest verwandt zu sein. Sogar hinsichtlich des »belauschten« oder angezapften Mediums können wir Vermutungen anstellen.

Spätestens seit den Netzgängern ist bekannt, dass das Universum vom »Psionischen Netz« durchzogen ist. Die Reaktion DORIFERS hat es zwar in dessen Einflussbereich verändert, so dass es von den Netzgängern einerseits und von der Enerpsi-Technik andererseits genutzt werden konnte, aber unabhängig davon existiert dieses Netz auch im übrigen Universum (die Querionen konnten und können es beispielsweise auch außerhalb der DORIFER-Sphäre nutzen).

Wenn wir nun annehmen, dass sich sämtliche Ereignisse – die Reaktionen und Handlungen von Lebewesen im kleinen wie auch die »rein mechanischen« Abläufe von Galaxien, Sternen, Planeten und allem anderen im großen Maßstab – in diesem psionischen Geflecht widerspiegeln oder ihr hyperphysikalisches Äquivalent haben, ist die »Informationsquelle« der Pangalaktischen Statistiker deutlich weniger geheimnisvoll, als es auf den ersten Blick erscheinen mag.

Diese Annahme ist keineswegs weit hergeholt, da es diesen interaktiven wie auch informellen Austausch erwiesenermaßen über die Psionischen Informationsquanten (Psiqs) und Messenger der Kosmonukleotide des Moralischen Kodes gibt. Wenn wir überdies noch die in den Kosmonukleotiden »generierten« Welten der Wahrscheinlichkeit berücksichtigen und den Statistikern einen Einblick in diese Bereiche zugestehen, gewinnt die Umschreibung »Pangalaktische Statistiker« noch eine ganz andere Bedeutung.

Bleibt letztlich die Frage, in welchem Umfang dieses »ins Universum lauschen« stattfindet oder überhaupt stattfinden kann. Immerhin ist die Ausdehnung des Standarduniversums kein »Klacks«, in Hunderten Milliarden Galaxien gibt es abermals Hunderte Milliarden Sterne, Planeten und Myriaden von Lebewesen.

Wenn man nicht von kompletter Reizüberflutung in einem kaum noch vorstellbaren Ausmaß ausgehen will, muss eine Selektion stattfinden, eine Konzentration auf Ereignisse ab einem gewissen »Schwellenwert« vielleicht. Oder die Statistiker nehmen – wie die Beweglichkeit der Türme zeigt – gezielt bestimmte Regionen »unter die Lupe«.

Wie auch immer: Die in den Mediotheken der Statistikerstädte eingelagerte Wissensmenge ist zweifellos immens, doch selbst sie bleibt, auf das Standarduniversum als Ganzes bezogen, letztlich ohne Zweifel nur ein winziges Bruchstück! Etwas anders anzunehmen hieße, die Statistiker deutlich zu überschätzen.

Rainer Castor