PERRY-RHODAN-Kommentar 2123


WAS WISSEN DIE STATISTIKER?


Eine planetenumspannende Zivilisation existiert nicht auf Vision. Die Ureinwohner – Visienten genannt – hatten einst weite Teile der Welt »erobert«; doch über diese Geisteshaltung sind sie mittlerweile längst hinaus. Es handelt sich um gnomenhafte, verhutzelte Geschöpfe von knapp 1,3 Metern Größe in kuttenartigen himmelblauen Gewändern. Die Körperform ist humanoid, völlig haarlos und die Hautfarbe rotbraun. Sie bewegen sich ruckhaft und häufig unkoordiniert, als hätten sie nicht vernünftig mit ihren Körpern umzugehen gelernt, was als Zeichen einer Degeneration gewertet wird.

Sie sind die »Schreiber« der Pangalaktischen Statistiker, denn jeder hat ein fotografisches Gedächtnis: Sobald ein Statistiker aus seinem Turm »herabsteigt«, gibt er sein gesammeltes Wissen an die wartenden Wallfahrer und Schreiber in einem mentalen Schwall frei. Dieses Wissen, bei dem es sich nur um solche Informationen handelt, die zwischen der Gegenwart und der letzten »Audienz« gesammelt wurden, kann nur mental aufgenommen, nicht aber direkt aufgezeichnet werden. Also wird jemand wie die Visienten benötigt, um all die Wissensfetzen aufzuzeichnen.

Sie legen das Wissen in den Kosmologischen Mediotheken der neun Städte nieder (in Rik’ombir sind es sieben), um es für die Nachwelt zu bewahren. In der subplanetarischen Anlage einer Mediothek herrscht eine stark reduzierte Schwerkraft von etwa einem Zehntelgravo. Die Anlagen reichen kilometertief in den Untergrund und bestehen aus Hunderten von Etagen mit nicht enden wollenden Reihen aus Computern, Foliantenregalen, akustischen und optischen Aufzeichnungs- und Wiedergabestudios.

Ob all die gesammelten Erkenntnisse der Wahrheit entsprechen, ist nicht ersichtlich; die Problematik von subjektiver und objektiver Wahrheit, ob es diese überhaupt gibt und dergleichen lassen wir einmal außen vor. Doch jeder Besucher, der mit einer Malischen Dschunke nach Vision kommt, kann nach Herzenslust recherchieren. Hier lagern unerschöpfliche Wissensschätze über die Vergangenheit und die Gegenwart des Weltalls: je nachdem, wie lange die Geschichtsschreibung schon betrieben wird, wie präzise sie ist; je nachdem, wie lange die jeweilige Bebachtung dauert oder wie weit die rätselhaften Wahrnehmungsmechanismen der Statistiker reichen.

Von ihren Türmen aus, heißt es, »horchen« die Statistiker in das Weltall hinaus, durchmessen den Pulsschlag der Schöpfung, sammeln unerschöpfliches Wissen über die Gegenwart des Universums – und wenn sie aus den höchsten Gefilden ihrer Türme zur Oberfläche des Planeten hinabsteigen, lassen sie die niederen Wesen an ihren Kenntnissen teilhaben ...

Steigen mindestens fünf Statistiker gleichzeitig herab, ein Ereignis das nur alle elf Malischen oder Zabarischen Jahre, also alle 4950 Vision-Tage, einmal vorkommt, wird von einer Kleinen Konjunktion gesprochen. Steigen alle zugleich herab, ist das eine Große Konjunktion – ein Ereignis, das alle 1155 Jahre oder 519.750 Tage einmal eintritt.

Die Anzahl von Riks Herabstiegen bis zur Kleinen Konjunktion beträgt bei seinem 99-Tage-Rhythmus fünfzig; die der bis zur Großen Konjunktion 5250. Bei Sba sind es 45 Tage-Zyklen, bei Tshi solche von 25 Tagen. Raud steigt nach 990 Tagen herab, Ipox nach 4950 Tagen, Iff nach 34.650, Jaada nach 103.950, Kad nach 173.250 und Fhof nur einmal alle 1155 Jahre, also jeweils zur Großen Konjunktion.

Mag der inzwischen angehäufte Wissensschatz noch so groß sein – seit 22.123 Malischen Jahren gibt es schließlich schon die LOTTERIE, was folglich die Untergrenze der Dauer der bisherigen Sammelaktivität darstellt –, bleibt er dennoch eher »ungeordnet«, weil eine systematische Erfassung oder gar Auswertung nicht stattfindet. Die Statistiker erfassen die Informationen, die Visienten zeichnen sie auf. Den nach Vision gelangten Besuchern sind diese Daten zwar zugänglich, doch wie sie sie letztlich einzuschätzen oder miteinander zu verknüpfen haben, bleibt ihnen überlassen.

Nicht nur hier stellt sich fast zwangsläufig Unbehagen ein. Auch hinsichtlich der Qualität der Informationen sei ein Fragezeichen gestattet. Weniger hinsichtlich ihres grundsätzlichen Wahrheitsgehalts, sondern vielmehr in Hinsicht darauf, was die »Brisanz« betrifft. In Wassermal wird zum Beispiel davon ausgegangen, dass die Kosmischen Mächte von Ordnung und Chaos selbst ohnehin ebenfalls über alle Informationen und Kenntnisse verfügen, die auch die Pangalaktischen Statistiker erlangen.

Diese Argumentation bildet den logischen Schutz für Akhimzabar und seine Bewohner, denn an einer Galaxis mit identischem, aber nicht höherem Wissensstand haben kosmische Entitäten wie Kosmokraten, Chaotarchen, Superintelligenzen und andere kein Interesse. Nur in den Augen »niederer Wesen« bekommen diese Informationen den Status von kleinen Wundern des Universums.

Die Frage ist, ob diese Argumentation nicht ziemlich blauäugig ist, setzt sie doch mehr oder weniger stillschweigend voraus, dass die Statistiker keine wirklich »bedeutsamen« Informationen erhalten können, welche die Kreise der höheren Entitäten tangieren. Nur weil sich bislang offensichtlich noch keine höhere Macht »maßregelnd« eingeschaltet hat, bedeutet das ja nicht, dass nicht irgendwann doch – und sei es durch Zufall – Informationen ermittelt werden, die nicht für die »Niederungen« gedacht sind. Und wie dann diese höheren Mächte reagieren, sollte man sich vielleicht besser nicht ausmalen.

Mit ihren Aktivitäten bewegen sich die Statistiker also ganz offensichtlich auf dünnem Eis! Ist das vielleicht der Grund, weshalb die Analyse der Daten den Besuchern überlassen wird? Und kann es sein, dass sie unter Umständen bei ihrer Heimkehr eine Überraschung erleben? Dass quasi schon Beauftragte der höheren Mächte auf sie warten ...? Das wiederum wäre alles andere als eine berauschende Aussicht!

Rainer Castor