Während sich Atlan und seine Freunde in der Galaxie Wassermal an Bord der »Dschunke« ihrem Ziel nähern, den Pangalaktischen Statistikern, wurde in Tradom ein »Kapitel beendet«: Rishtyn-Jaffami, ein riesenhaft gewucherter Zellhaufen auf dem Planeten Linckx und zugleich der Große Graue in der Welt des Halbraumozeans, existiert nicht mehr. Fortan wird es also weder einen Nachschub an Messer werfenden »Kreaturen von Quintatha« noch eine ihrer psionisch aufgeladenen Waffen geben.
Als Schlüsselfigur des Geschehens, zumindest als Katalysator, ist Benjameen da Jacinta zu sehen. Der Arkonide wurde auf Grund seiner transpersonalen – über die Person hinausgehenden – Parafähigkeit zunächst Traumtänzer und Para-Träumer genannt. Schon in Alashan hatte er diese paranormale Begabung durch ständiges Training verbessert, so dass prädormitale Befehle und mentale Selbstprogrammierungen sogar bei bewusst herbei gezwungenem »Sekundenschlaf« wirksam werden konnten. Er hatte die Kräfte zu beherrschen gelernt und wurde nur noch in Ausnahmefällen ohne sein Zutun im Traum an andere Wesen gekoppelt, die unter einem besonderen psychischen Druck stehen.
Zwar war es ihm weiterhin möglich, in den Träumen anderer als reale Gestalt aufzutreten und in diesen Fällen mit ihnen zu kommunizieren. Aber das »Traumtanzen« ging weiter, erreichte den Status eines, wie es die Parawissenschaftler nannten, Zerotraums: Definiert als paranormal aktiver, jedoch körperlich passiver Zustand, ist Benjameen inzwischen in der Lage, sein Bewusstsein beziehungsweise seinen Wahrnehmungsfokus vom Körper zu lösen, in Nullzeit sogar große Entfernungen zu überbrücken und in gewissen Grenzen dann auch telepathisch zu kommunizieren.
Die Einschränkung hierbei ist, dass die Kommunikation – mit der kein suggestiver Zwang verbunden ist – stets »traumhaft-unwirklich« abläuft. Es ist also schwierig bis unmöglich, wirklich präzise Informationen zu übermitteln (sofern das Gegenüber nicht ebenfalls paranormal begabt ist). Bens Hauptproblem besteht darin, die eigenen Träume so exakt zu »programmieren«, dass er im Traum die richtigen Handlungen unternimmt, die richtigen Informationen sammelt, die richtigen Orte aufsucht und so weiter. Umso gravierender sein Erlebnis in und mit der »Halbraumwelt« Quintatha, das weniger seiner als vielmehr der Kontrolle Rishtyn-Jaffamis unterstand ...
Wir kennen Rishtyn-Jaffamis Aussagen Sirka gegenüber: Vor ungefähr 160.000 Jahren gerieten Flüchtlinge eines gewaltigen Krieges in den Bann des Planeten Linckx. Das Raumschiff, mit Angehörigen des Volkes der Jaffami bemannt, stürzte ab und wurde vernichtet. Rishtyn-Jaffami erreichte als einziger Überlebender den Kontinent Sikma und schuf sich dort eine Heimstatt, von den letzten Robotern des zerstörten Schiffes umhegt. Allerdings geriet sein Zellwachstum unter den irregulären Bedingungen von Linckx vollständig außer Kontrolle. Rishtyn-Jaffami starb aber nicht, sondern mutierte, wurde zu einem immer weiter wuchernden Zellhaufen und wuchs über Jahrtausende.
Mit der körperlichen Immobilisierung war andererseits, zweifellos begünstigt von den UHF-Strahlungen des Yddith, die Entwicklung eines gewaltigen mentalen Potentials verbunden. Rishtyn-Jaffami profitierte nicht nur von den pararealen Strömungen, sondern brachte sie unter seine Kontrolle. Jahrtausende vergingen, bis er eine Pararealität geschaffen hatte, die er Quintatha nannte – in Anlehnung an die alte Heimat, aus der die Jaffami einst ausgewandert waren.
Ebenfalls in Anlehnung an die Traditionen seines Volkes gestaltete er Quintatha als »Ozeanwelt«, in der Seefahrer und riesenhafte Geschöpfe ein parareales Leben führten: die Barkner und die Titanen. Quintatha wurde für Rishtyn-Jaffami zu einer wirklichen Welt von so großer Realität, dass sich sein Bewusstsein auf Dauer in den roten Halbweltozean zurückzog. Er wurde als Großer Grauer materiell, während sein deformierter Originalkörper auf Sikma blieb.
Eines Tages aber landeten auf Sikma die Truppen des Reichs Tradom. Die Ersten konnte Rishtyn-Jaffami noch zwischen den Dimensionen zermahlen. Doch es kamen immer mehr, und er musste kapitulieren. Von den installierten Sprengsäulen erpresst, wurde er verpflichtet, Tribute zu zahlen: Messer, die aus den Gebeinen der Titanen gefertigt und im Kalten Kontinuum zu unüberwindlichen Waffen wurden, sowie seine »Kreaturen«, die fortan nicht mehr direkt das Reich Anguelas erreichen konnten, sondern als Zwischenstation ein Martyrium im Kalten Kontinuum auf sich zu nehmen hatten.
Es wird wohl unklar bleiben, wie viel Realität sich hinter dem Mythos der Barkner verbirgt. Tatsache ist aber, dass die »Kreaturen von Quintatha« nicht geboren wurden, sondern plötzlich im Halbraumozean entstanden. Bei ihrem dortigen Tod wurden sie in den Raum »unter« dem Halbraum ausgeschieden, ins »Reich der Toten«, auch Kalte Hölle oder Kaltes Kontinuum genannt. Ob sie dort lange Zeit zubringen oder ob sie sehr schnell vergehen, »entscheidet allein Anguela« – und erst dann folgt die Heimkehr in »Anguelas Reich«, wo von aus irgendwann der Zyklus von neuem seinen Anfang nahm ...
Abermals stoßen wir hier also auf Anguela, den Kern der hiesigen Religion. Und mit der Angabe »vor ungefähr 160.000 Jahren« haben wir auch eine Größenordnung, die uns wahrscheinlich in die Zeit der Thatrix-Zivilisation führt, die offenbar vor dem Reich und der Inquisition der Vernunft einst die Galaxis Tradom beherrschte (siehe PR-Kommentar 2114 und 2115). Leider stehen diese Informationen Perry Rhodan und der Tradom-Expedition nicht zur Gänze zur Verfügung, und das Auftauchen der 22.000 Katamare beim Kugelsternhaufen Virginox verspricht ebenfalls nichts Gutes.
Bliebt abschließend eine ganz und gar unbeantwortete Frage: Wie, zum Teufel, gelangte ein terranisches Skelett nach Linckx?
Rainer Castor