Sie sind jung, aufstrebend, frech, listenreich und auch sonst mit allem ausgestattet, was ein Volk benötigt, das erst vor kurzem die Bühne der interstellaren Raumfahrt betreten hat, um sich durchzusetzen und langfristig gesehen erfolgreich zu sein. Wer sich bei den Jankaron an die Terraner des 20. und 21. Jahrhunderts erinnert fühlt oder auch an die ersten Begegnungen mit den Kartanin, liegt zweifellos nicht falsch.
Der Lebensraum der von Eier legenden Säugetieren in Form von »Laufvögeln« abstammenden, schlanken bis dürren, mit Adlerköpfen versehenen Wesen ist der 78 Lichtjahre durchmessende Kugelsternhaufen Virginox im Halo der Riesengalaxis Tradom, rund 33.000 Lichtjahre von der galaktischen Hauptebene entfernt – aus Sicht der Erde »unterhalb« von Tradom gelegen. Rund 50.000 Sterne gehören zum Haufen, davon 123 bewohnte Sonnensysteme.
Anders als die Sprache des Anguela-Idioms, das in der Galaxis Tradom die lingua franca darstellt, ist die galaktische Zivilisation von Tradom praktisch nicht bis nach Virginox vorgedrungen. Die Einwohner des Sternhaufens wissen zwar vom Reich Tradom, aber es bleibt Theorie, denn in der Praxis ist Virginox eine Welt für sich, nahezu ohne jeglichen Kontakt nach außerhalb. Von der Galaxis Tradom wissen sie nicht mehr, als dass dort das Reich Tradom herrscht, häufig auch kurz »das Reich« genannt. Insgesamt führen die Zivilisationen von Virginox ein unbehelligtes »Inseldasein«.
Die Jankaron zählen erst seit kurzer Zeit zu den raumfahrenden Nationen des Kugelsternhaufens, sind aber Raumfahrer aus Leidenschaft, obwohl sie die interstellare Raumfahrt erst vor sechzig Jahren entwickelt haben und eben mal über insgesamt 23 Raumschiffe verfügen. Vor 55 Jahren fand ihr erster Kontakt mit den Zivilisationen von Virginox statt. Seitdem wissen sie, dass die Riesengalaxis Tradom heißt, dass auch sie letztlich vom Reich Tradom regiert werden.
Aber dies ist der »Hinterhof« Tradoms, hier konnten die Jankaron bislang ungestört heranwachsen. Vieles spricht dafür, dass sie zuerst in Virginox eine dominierende Rolle erlangen werden, und wenn sie bereit sind, werden sie sich – so ihre Überzeugung – dem Reich zu stellen wissen! Kaum eines der Schiffe im Sternhaufen könnte jedoch zur Zeit die Distanz bis zur Hauptgalaxis überhaupt überbrücken: Die Technik ist nicht weiter als bis zu eher »leistungsschwachen« Transitionsraumschiffen fortgeschritten. Aber das ist auch nicht notwendig, denn die Verhältnisse in Virginox sind schwierig und spannend genug.
Die Jankaron haben die ihnen fremde Technik der raumfahrenden Völker in Rekordzeit assimiliert und zu ihrer eigenen gemacht. Ihre wichtigste Sicherheitsmaßnahme ist jedoch, dass niemand die Position ihrer Heimatwelt Jankar kennt! Auch das eine den Terranern vergleichbare Situation, die damals versuchten, die Position der Erde möglichst lange verborgen zu halten, beispielsweise durch das Einsetzen des Strukturkompensators, um die Transitionsschocks zu absorbieren, die scheinbare Vernichtung der Erde (PR-Roman 49) und vielerlei weitere Tricks.
Ein jankarischer Handelskapitän verfügt notwendigerweise über eine harte militärische Ausbildung, ist geschult im Nahkampf und in wissenschaftlichen Disziplinen – und vor allem würde er niemals die ihm als Einzigem an Bord bekannte galaktonautische Position von Jankar an Dritte verraten. Die der LEIF ERIKSSON und der KARRIBO gewährte Hilfe stellte also eine absolute Ausnahme dar – nicht ohne einen »gewissen Vorteil auf Gegenseitigkeit« daraus zu ziehen ...
Nicht umsonst gelten die Jankaron als äußerst gewiefte Händler – doch sie handeln reell und betrügen nicht! Versucht man allerdings, sie übers Ohr zu hauen oder gar zu bestehlen, verlieren die Jankaron alle diesbezüglichen Skrupel. Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit sind moralische Werte, die für die Jankaron über allem stehen. Sie gestehen jedem Einzelnen seinen persönlichen und individuellen Freiraum zu, setzen sich andererseits aber auch intensiv füreinander ein, wenn es notwendig ist.
Streitigkeiten werden traditionell verbal oder in »Barden-Wettkämpfen« ausgetragen – hier wie auch bei anderen Gelegenheiten kommt es zum Vortrag der geschätzten Heldenballaden, die von den Taten eines Udrant, Orius, Bazgat Uzol oder Yabaal Jankarandaghan berichten. Jankaron sind sehr musikalisch, wenngleich auch ihre Vorstellungen von Gesang in terranischen Ohren eher schmerzen. Große Taten werden gern in den Heldenballaden besungen; jeder Jankaron träumt davon, selbst einmal durch solche eine Heldenballade unsterblich zu werden.
Die Gesellschaftsstruktur ist eine Handelsoligarchie, die maßgeblich von den acht Großen Handelssippen geprägt ist: die Quatron, Aaterstam, Melchya, Curmant, Isatuus, Jarrin, Vikka und Karjul. Der Hohe Rat der Jankaron – das Ghadbuul – ist das oberste Gremium des kleinen »Vier-Planeten-Reiches« und besteht aus den Oberhäuptern, welche Frauen wie Männer sein können, der acht einflussreichsten Handelssippen. Turnusmäßig wählen sie alle vier Jankar-Jahre einen aus ihrer Reihe zum Sprecher; zurzeit ist es Verion Jarrin.
Schiedsrichter und Vermittler bei Unstimmigkeiten ist die Schlichterin von Kisch, die vom ganzen Volk in demokratischer Abstimmung alle acht Jankar-Jahre gewählt wird. Sie hat gegen jede Entscheidung des Rates der Jankaron Vetorecht, das allerdings selten wahrgenommen wird. Vermag der Rat der Jankaron in seinen Entscheidungen keine Einstimmigkeit herbeizuführen, wird die Schlichterin auch vom Rat angerufen.
Im Jan-System leben insgesamt rund 3,3 Milliarden Jankaron, die meisten auf Jankar. Frauen und Männer sind gleichberechtigt und teilen sich die »Brutpflege«; es gibt bis zu vier Nachkommen pro »Gelege« – folglich dreht sich vieles in der Jankaron-Gesellschaft rings um das Ei und seine Form. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei rund 100 Erd- oder 130 Jankar-Jahren.