PERRY-RHODAN-Kommentar 2094


MÄCHTE DES CHAOS (II)


Neben negativen Superintelligenzen, Materiesenken und den im Auftrag der Chaotarchen handelnden Einzelwesen und Organisationen wie dem Dekalog der Elemente ist zweifellos die Negasphäre für lange Zeit das Machtmittel der Mächte des Chaos gewesen. Sie entstand, als das Kosmonukleotid TRIICLE-9 vor rund 100 Millionen Jahren mutierte und von seinem angestammten »Platz« verschwand. In der Folge formte sich eine Zone des Chaos, deren Standort jedoch nicht exakt mit dem »Ankerpunkt« der Kosmonukleotids identisch war, sondern rund 300.000 Lichtjahre von diesem entfernt lag. Mit der Zeit erreichte sie einen Durchmesser von 26.000 Lichtjahren (siehe auch PR-Kommentar 2087).

Oder wie der Kosmokrat Taurec es formulierte: Die kosmische Region, deren Schöpfungsprogramm von TRIlCLE-9 garantiert wurde, ist zur Negasphäre geworden. Zu einem Ort, in dem das Chaos herrscht. Wo es keine Stabilität, keine Sicherheit, keine Logik, keine dauerhaften Naturgesetze gibt, wo alles pervertiert ist. Seit die Informationsübertragung durch TRIICLE-9 abgebrochen ist, löst sich das Schöpfungsprogramm in der Negasphäre auf. Das Universum zerfällt an diesem Ort.

Der Zerfallsprozeß begann vor vielen Jahrmillionen und ist noch nicht abgeschlossen – er dauert an und nähert sich unaufhaltsam seinem Ziel. Und dieses Ziel – ist das Nichts. Aber dies ist nicht die schlimmste Folge. Die Mutation von TRIICLE-9, die Lücke, die der Frostrubin in der Doppelhelix des Moralischen Kodes hinterlassen hat, beschwört eine schreckliche Gefahr herauf: Domino-Effekt. Die Nachbarfelder ... drohen ebenfalls zu mutieren, sich aus der wahren Endlosen Armada zu lösen. Weitere Negasphären können entstehen, bis der Prozeß irreparabel wird und sich das gesamte Universum in eine Negasphäre verwandelt. (PR 1224)

Es kann als gesichert gelten, daß die Mächte des Chaos bei dieser Mutation ihre Finger im Spiel hatten, doch wie sie sie bewirkten oder was genau geschah verbirgt sich im Dunkel der fernen Vergangenheit. Fest steht allerdings, daß das um die Herausbildung eines Kollektivbewußtseins bemühte Volk der V’Aupertir mit dem Ende der sogenannten Ära der Zweiten Stille während einer Bewußtseinsreise diese Region entdeckte, an der das Universum zu zerfallen schien.

Die V’Aupertir gelten als Ahnherren aller humanoiden Völker im Standarduniversum, hatten vor rund 80 Millionen Jahren jedoch noch nicht den Status einer Superintelligenz erreicht. Mit der ARCHE drangen sie in die Negasphäre ein und begannen mit ihrer Erforschung. Der dortige Aufenthalt beschleunigte die Vergeistigung der V’Aupertir, die Einzelbewußtseine verschmolzen zu einem Kollektivbewußtsein, das sich endgültig von den organischen Hüllen der letzten Riesengehirne löste. Zwar lernte diese Entität die Kräfte der Negasphäre zu nutzen, wurde gleichzeitig jedoch völlig abhängig davon: Der Herr der Elemente als eine Macht des Chaos war entstanden.

Was genau geschah und wie die Entwicklung im einzelnen vonstatten ging, ist trotz der im Zuge seiner Devolution erfahrenen Dinge unklar (PR 1260, 1261). Es kann nicht einmal ausgeschlossen werden, daß es eine ihm selbst gar nicht bewußt gewordene »Unterstützung« der Chaotarchen wie Xpomul gab.

Sicher ist dagegen, daß vor etwa 50 Millionen Jahren die von ihm aufgebaute Streitmacht Dekalog der Elemente genannt wurde – ein zwar aus wechselnden und wiederholt ausgetauschten Elementen bestehendes, aber stets zehn Elemente des Chaos umfassendes »Instrumentarium«. Zuvor hatte sich der Herr der Elemente in den drei Raumriesen die Basen BRÜTER, LAGER und VERSTÄRKER geschaffen, von denen LAGER später (428 NGZ) als das negative Pendant zum Dom Kesdschan galt.

Irgendwann hatte der Herr der Elemente den Höhepunkt seiner Entwicklung erreicht: Er konnte sowohl als reines Bewußtsein existieren als auch jede beliebige materielle Gestalt annehmen; er konnte gewaltige Entfernungen im Standarduniversum per Absoluter Bewegung in Nullzeit zurücklegen, und er hatte hochentwickelte paranormal-transpersonale Kräfte. Seine über rund 80 Millionen Jahre währende Anbindung an die außergewöhnliche Umgebung der Negasphäre begründete zweifellos seine absolute Sonderstellung: Da er als Chaotarch bezeichnet wurde, bedeutet das, daß die Veränderung in der und durch die Negasphäre der Evolution über eine Materiesenke hin zu einem Chaotarchen entsprach.

In der Negasphäre lag allerdings auch sein Schwachpunkt: Sollten sich die Verhältnisse in diesem Gebiet wieder normalisieren, der beschädigte Moralische Kode repariert und TRIICLE-9 zurückgeführt werden, mußte das das Ende dieser Zone und damit auch das Ende des V’Aupertir-Chaotarchen bedeuten. Nicht zuletzt aus diesem Grund sagte er den Kosmokraten den Kampf an, mit dem Ziel, die Negasphäre zu erhalten und, wenn möglich, weiter auszudehnen.

Wir wissen, daß weder das eine noch das andere gelang. Überhaupt hat es für die Mächte des Chaos eine ganze Reihe von empfindlichen Niederlagen gegeben: Die Schlacht um Erranternohre endete mit einem Patt, mit leichten Vorteilen auf Seiten der Kosmokraten; bei der Schlacht um Kohagen-Pasmereix wurde zwar das Entstehen des Ritterordens unterbunden, aber sämtliche beteiligten Chaotender wurden vernichtet – bis auf ZENTAPHER, wie wir nun erfahren haben. Und schließlich gelang mit der Rückführung des Frostrubins die Auslöschung der Negasphäre, während es parallel dazu zur Ausschaltung des Dekalogs und des Herrn der Elemente selbst kam.

Führen wir uns andererseits die Größe allein des Standarduniversums vor Augen, kann als sicher gelten, daß es an anderen Schauplätzen im kosmischen Ringen anders ausging. Genau wie für die Organisationsstrukturen der Kosmokraten ist ebenso sicher, daß auch die Mächte des Chaos Weiteres in petto haben. Wir haben wohl nur deshalb noch nichts davon gehört oder erlebt, weil sie aus dem »hiesigen Bereich« zurückgedrängt wurden. Fragt sich, ob das so bleibt ...

Rainer Castor