PERRY-RHODAN-Kommentar 2093


MÄCHTE DES CHAOS (I)


Wenn wir den »parahistorischen Daten von Mthiesen III« trauen dürfen, tobte umgerechnet im Jahr 3.308.757 vor Christus in der direkten Nachbarschaft der Galaxie Erranternohre eine Schlacht, bei der es sich um eine Auseinandersetzung im Zusammenhang mit der Materiequelle GOURDEL handelte – eine Schlacht, bei der unter anderem auch Chaotender zum Einsatz kamen (PR 1987).

Erinnern wir uns: Erranternohre ist jene kugelförmige Sterneninsel von 180.000 Lichtjahren Durchmesser, 43 Millionen Lichtjahre von Terra entfernt, von der ein weißer energetischer Jetstrahl 200.000 Lichtjahre vom Zentrum aus in den intergalaktischen Leerraum exakt auf die Milchstraße weist. In Erranternohre befanden sich die Burgen der sieben Mächtigen, hier war Laires Ebene ebenso wie das Plateau der Diener der Materie.

Und diese Galaxie ist überdies nicht nur »Standort« der Materiequelle GOURDEL – welche zur Abwehr der Sporengefahr der PAN-THAU-RA manipuliert wurde und unter anderem die Weltraumbeben erzeugte –, sondern auch der der Materiesenke JARMITHARA, in der ES im Herbst 3587 zeitweise gefangen war.

Weiterhin wissen wir, daß GOURDEL Laire als Durchgang zum Bereich »jenseits der Materiequellen« diente und im Rhythmus von 23 Stunden und 18 Minuten Aktivitätsperioden aufwies, dem Heiligen Intervall der Loower, das sich in den Entladungen der loowerischen Neunturmanlagen wiederfand – wobei die Zahl neun für die »Auslässe« der von ihnen gesuchten Materiequelle stand.

Die Loower hatten nach der Beteiligung am Bau eines Schwarms die traumatische Angst entwickelt, ihre aufstrebende Kultur werde durch die Mächte hinter den Materiequellen bedroht. Sie beschlossen, eine Materiequelle zu durchdringen, um einen Präventivschlag zu führen – diese Versuche scheiterten jedoch, weil den Loowern der passende Schlüssel fehlte. So kam es zum Angriff auf Laire, dessen linke Auges geraubt wurde, das die Orientierung im Bereich hinter den Materiequellen ermöglichte. Allerdings mußten die Loower erkennen, daß das Auge nur das Passieren einer bestimmten Materiequelle ermöglichte; sie versteckten es auf Erde – so geschehen vor rund 18 Millionen Jahren.

Völlig ungeklärt war in diesem Zusammenhang bisher, wie es in einer intakten Sterneninsel eine Materiequelle geben kann, entstehen diese doch nach bisherigem Wissensstand, indem eine Superintelligenz ihre Mächtigkeitsballung förmlich implodieren läßt, so daß die extreme Massenkonzentration entsteht. Eine Materiequelle in einer Galaxie ist demnach eigentlich unmöglich – ganz zu schweigen von der gleichzeitigen Anwesenheit einer Materiesenke ...

Es hat eine ganze Weile gedauert, bis die mit den Kosmokraten und ihren Helfern verbundenen Organisationsstrukturen näher bekannt wurden. Sie erwiesen sich als deutlich weniger statisch – vor allem aber waren sie in der Höhe wie auch in der Breite gestaffelter –, wie es vielleicht zunächst den Anschein hatte.

Die Ritter der Tiefe, Hilfsvölker wie die Porleyter, Erranten und Baolin-Nda als Techniklieferanten, technokratisch-kalt wirkende Geschöpfe wie die UFOnauten mit ihren kleinen Hominiden und Androiden, die Völker in den Schwärmen wie Cynos und Karties, einzelne Direktbeauftragte wie Carfesch oder die Domwarte, der Bund der Mächtigen mit ihren Sporenschiffen, Roboter wie Laire, Samkar und Cairol, schließlich die Diener der Materie in ihren Kosmischen Fabriken – all das zeigt, daß ein viel differenzierteres Bild entsteht, je mehr Einzelheiten bekanntwerden. Es ist nicht einmal ausgeschlossen, daß auch in Zukunft noch weitere Überraschungen bevorstehen.

Über die Chaotarchen und ihre Helfer als Gegenpart und Gegenspieler der Kosmokraten ist noch weniger bekannt. Den bislang einzigen tieferen Einblick erhielten wir in den Jahren 427/428 NGZ vornehmlich durch den Dekalog der Elemente, der sich in der Hauptsache darauf konzentrierte, die Aktivierung der Chronofossilien durch die Endlose Armada und damit die Rekonstituierung von TRIICLE-9 als Teil des Moralischen Kodes zu verhindern.

Inzwischen haben wir erfahren, daß im Machtsystem der Chaotarchen die sogenannten Chaotender eine wichtige Rolle spielen – und es war der 36. Chaotender namens ZENTAPHER, der an der eingangs erwähnten Schlacht beteiligt war und hierbei zerstört wurde. Wie es zur Konstruktion des Nachfolgers kam, wird im Roman geschildert – wir wollen uns an dieser Stelle mehr mit den Hintergründen befassen.

Die Frage nach der gleichzeitigen Anwesenheit einer Materiequelle und einer Materiesenke in Erranternohre läßt sich damit beantworten, daß sie gar nicht in dieser Sterneninsel, sondern weit von ihr entfernt entstanden sind. Es waren vielmehr die Kosmokraten, die zunächst GOURDEL veranlaßten, als weiterer »Machtfaktor« in die ohnehin wichtige Galaxie »überzusiedeln« – womit sich sogar Gebilde wie Materiequellen als mobil erweisen, was aber andererseits, wenn wir die Bewegungen des Frostrubins alias TRIICLE-9 berücksichtigen, wiederum gar nicht so sehr zu verwundern braucht.

Daß die Chaotarchen darauf reagierten, braucht nicht zu verwundern – und sie taten es mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln: Die Materiesenke JARMITHARA wurde »in Marsch« gesetzt, um, ebenfalls nicht in Erranternohre entstanden, ein Gegengewicht zur Materiequelle zu bilden. In dem parallel dazu stattfindenden Krieg trafen Chaotender und Kosmische Fabriken aufeinander; ein Patt, bei dem je zwei Chaotender und zwei Kosmische Fabriken vernichtet wurden.

In ähnlicher Weise dürften sich auch die nun gleichzeitig in einer intakten Sterneninsel vorzufindende Materiequelle und Materiesenke bis zu einem gewissen Grad gegenseitig neutralisieren, mit einem leichten »Übergewicht« bei GOURDEL, wie die diversen Aktivitäten beweisen, während Vergleichbares im Zusammenhang mit JARMITHARA bestenfalls eingeschränkt oder gar nicht der Fall ist.

Rainer Castor