Zheobitt ist den Ursachen des letalen Genprogramms auf der Spur, das die Monochrom-Mutanten auszulöschen droht. Beste Hilfe haben hierbei die Daten geleistet, die er in den Archiven von Aralon sammeln konnte, denn immerhin waren zu Monos’ Zeiten Aras an dem Genprogramm beteiligt, das letztlich zur Entstehung der Monochromen führte.
Eine medikamentöse Therapie, die Zheobitt unter dem wie üblich unbescheidenen Kodenamen Zheob-0134 führt, soll das Problem lösen. Leider ist es längst nicht serienreif, die Wirksamkeit ungewiß. Schon im derzeitigen Designstadium ist jedoch zu erkennen, daß das Medikament eine solche Fülle an Nebenwirkungen zeitigt, daß es sich am besten mit einem terranischen Sprichwort beschreiben läßt: Operation gelungen, Patient tot ...
Zheob-0134 ist als Zwei-Komponenten-Medikament konzipiert: Die erste Komponente soll sich an praktisch jeden Stoffwechselvorgang anhängen und in kürzester Zeit in alle Körperzellen gelangen. Ihre Aufgabe ist es, die zellulare Selbstmordkette im Gewebe – die von Monos’ Genetikern verankerte »Sicherheitsschaltung« – zu unterbrechen (siehe PR 2021).
Die zweite Komponente muß wesentlich spezifischer wirken, denn sie ist dafür zuständig, jene Sektoren eines Mutantengehirns gezielt zu veröden – vergleichbar einigen Methoden zur Mentalstabilisierung –, die für das Psi-Potential zuständig sind oder die »materielle Schnittstelle« beim Einsatz der übergeordneten Kräfte darstellen. Nur beide Komponenten gemeinsam können nach Zheobitts Erkenntnissen den Gentod wirklich aufhalten, würde der Körper die damit einhergehenden »Nebenwirkungen« überstehen ...
Der Ara weiß allerdings, daß der Zelltod der Monochrom-Mutanten nicht allein durch den genetischen Kode eingeleitet wird, sondern daß es des begleitenden »psionischen Faktors« bedarf, um das Todesprogramm auszulösen. Das bedeutet: Ohne Psi-Energie kein Gen-Tod.
Hier kommt nun Morkheros Leiche ins Spiel: Ihr Gewebe hat mit hoher Wahrscheinlichkeit gewisse psionisch relevante Eigenschaften. Die Körpersubstanz scheint psionische Quanten zu binden oder zumindest an sich zu ziehen. Zheobitt versucht also, aus diesem speziellen Gewebe ein Medikament abzuleiten, das auf den genetisch-psionischen Faktor der Monochrom-Mutanten einen Einfluß hat. Denn könnte die paranormale Energieentfaltung der Monochromen gemindert werden, wäre auch der Krankheitsausbruch verzögert.
Morkheros Leiche bleibt konserviert. Lediglich Gewebeproben aus den verschiedensten Körperbereichen dienen als Arbeitsmittel, werden biochemisch behandelt und vermehrt, so daß von einigen tausend unterschiedlichen Gewebesorten rasch in ausreichender Menge Arbeitsmaterial zur Verfügung steht.
Wichtigstes Arbeitsmittel ist jedoch keineswegs das biochemische Spezialwerkzeug, sondern ein modifizierter Individualtaster, der, als Para-Detektor eingesetzt, die höchste Empfindlichkeit und Meßgenauigkeit im ultrahochfrequenten Bereich des hyperenergetischen Spektrums hat. Zheobitt kann psionische Quanten, die Psionen, in dem als »Psi« oder »Hyper-Psi« umschriebenen Bereich noch in geringstem Umfang nachweisen. Den natürlichen Parakräften wird ein Ausschnitt von einigen hundert Megakalup Bandbreite bei etwa einem Petakalup zugeordnet: Schwache IV-Strahlung geben selbst Pflanzen ab, Tiere schon mehr, in stärkerem Maß intelligente Wesen – alles jedoch weit unter dem Niveau, das Mutanten aufweisen.
Morkheros Gewebe scheint biochemisch betrachtet zwar vollständig normale Eigenschaften zu haben, doch der Para-Detektor zeigt, daß das Gewebe, kaum vermehrt, psionische Quanten aufsaugt wie ein trockener Schwamm. Für die meisten Gewebearten, die aus Morkheros Körper entnommen wurden, gelten enge Sättigungsgrenzen; einige aber, speziell aus Hirn und Rückenmark, entwickeln einen geradezu phänomenalen »Hunger« auf Psionen ...
Das Gewebe beginnt selbst im Labor auf erstaunliche Weise zu leben und speichert UHF-Strahlung. Zheobitt hat noch niemals vorher solches Gewebe gesehen; wahrscheinlich sogar niemand im bekannten Teil der Milchstraße. Der Mantar-Aspirant glaubt, daß aus diesem »Wunderstoff« in vertretbarer Zeit ein Mittel herstellbar sein könnte, das den Gen-Tod zumindest bremst, und denkt Tag und Nacht über eine Lösung nach.
Um den Gentod der Monochrom-Mutanten hinauszuzögern, muß das vermehrte Gewebe in hinreichender Menge in ihre Körper eingeschleust werden, damit es dort so viel psionische Energie wie möglich »abziehen« kann. Das bedeutet, daß das Gewebe in einen Zustand umgeformt werden muß, in dem es erstens von terranischen Metabolismen als Teilnehmer an Stoffwechselprozessen erkannt wird, zweitens keinerlei toxische Wirkung entfaltet und drittens nach Erreichen der psionischen Sättigung vom Stoffwechsel wieder automatisch ausgeschieden wird – denn die Monochromen müssen ja so schnell wie möglich zumindest einen Teil ihrer »psionischen Ladung« loswerden.
Erste Versuche mit Zellkulturen werden gemacht, dann mit Biotest-Tanks, die einen menschlichen Körper in seiner Komplexität durchaus nachzuahmen imstande sind. Parallel dazu laufen selbstverständlich komplexe syntronische Simulationen. Aber alle Versuche führen zu einem katastrophalen Ergebnis: Morkheros Gewebe wirkt entweder hochgiftig – oder aber Zheobitt muß soweit in die genetische Struktur des Gewebes eingreifen, daß die eigentlich erwünschte Eigenschaft als »Psi-Kollektor« verlorengeht.
Letztlich muß der Ara akzeptieren, daß selbst einem Mantar-Heiler in spe Grenzen gesetzt sind. Morkheros Gewebe hat zwar ganz erstaunliche Eigenschaften, doch als therapeutisch wirksamer Stoff für die Monochrom-Mutanten ist es nicht zu gebrauchen. Zheobitts einzige Hoffnung ist nun wieder Zheob-0134 ...
Rainer Castor