PERRY-RHODAN-Kommentar 2086


NOCHMALS: KOSMONUKLEOTIDE (I)


Es schon eine ganze Weile her, daß wir erstmals Kenntnis vom Moralischen Kode, den Kosmonukleotiden im allgemeinen und dem DORIFER genannten im speziellen erhielten. Sonderlich umfangreich waren diese Informationen nicht gerade, so daß von einem wirklichen Verständnis wohl noch immer nicht gesprochen werden kann.

Dies hängt nicht zuletzt auch damit zusammen, daß viele der Informationen eher solche aus »zweiter Hand« sind, während eine eigentliche Kosmonukleotiod-Forschung mit unzureichenden Mitteln zu kämpfen hat. Einerseits, weil die zu erforschenden Objekte eher rar gesät sind und keineswegs direkt vor der Haustür liegen, andererseits, weil sie ein Instrumentarium erforderlich machen, das das wissenschaftliche und technologische Niveau der Milchstraße immer noch übersteigt.

Hinzu kommt, daß für allgemeingültige Aussagen, gar die Formulierung von konkreten Theorien, mit deren Hilfe sich zukünftige Erkenntnisse und Ereignisse hätten voraussagen lassen, die eher dürftigen Daten von zwei oder drei Kosmonukleotiden nicht unbedingt eine sichere Basis darstellen. Nicht zuletzt auch deswegen, weil das »am besten« bekannte – nämlich DORIFER – nicht unbedingt als ein »Normalfall« einzuschätzen ist. Gleiches muß auch von TRIICLE-9 gesagt werden.

Erinnern wir uns: Im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung zwischen ES und Seth-Apophis spielte das als Frostrubin umschriebene Phänomen eine maßgebliche Rolle. Ihm war sogar die erste der drei Ultimaten Fragen gewidmet: Wer oder was ist der Frostrubin? Daß zumindest den Kosmokraten, aber auch einigen anderen die Antwort schon lange bekannt war, lassen wir bei unserer Betrachtung einmal außen vor.

TRIICLE-9 war – soviel ist inzwischen gesichert – ursprünglich das neunte Kosmonukleotid im Kosmogen TRIICLE, dessen vierdimensionaler Abdruck etwa 2,8 Millionen Lichtjahre von der Galaxie Behaynien entfernt war. Im Jahr 20.188 Malkatu hatte der Kosmokrat Tiryk in der Gestalt eines Saddreykaren Ordoban aufgesucht und ihn über die grundlegende Auseinandersetzung zwischen den Mächten des Chaos und der Ordnung informiert: Das wichtigste Hilfsmittel der letzteren sei der Moralische Kode, der zusammen mit Energie und Masse beim Urknall entstanden sei und aus einer Doppelhelix informationstragender psionischer Felder, eben der Kosmonukleotide, bestehe, die als Endlose Armada bezeichnet werde.

Tiryk beauftragte Ordoban, eine Wachflotte zusammenzustellen, die TRIICLE-9 bewachen und dadurch verhindern solle, daß die Mächte des Chaos an ihm eine Mutation auslösen konnten. Angeblich würden auf diese Weise die meisten Kosmonukleotide geschützt. Ordoban machte sich an die Arbeit, die Wachflotte entstand und nahm schließlich mit einer Milliarde Schiffen um TRIICLE-9 herum einen Raum von zweiunddreißig mal elf mal vier Lichtjahren ein.

Dann aber, im Jahr 37.003 Malkatu, verschwand TRIICLE-9 von seinem angestammten Platz, und Ordoban setzte die Wachflotte – später, genau wie der Moralische Kode insgesamt, als Endlose Armada bezeichnet – in Bewegung. Gleichzeitig verbreitete er den Mythos, die Chaosmächte hätten TRIICLE-9 entführt, und verinnerlichte die eigene Diebstahltheorie mehr und mehr. Das alles muß vor rund 100 Millionen Jahre geschehen sein.

Für viele Jahrmillionen war das aus dem Moralischen Kode gelöste Kosmonukleotid eine Blase, die mit ultrahochfrequenter Hyperenergie gefüllt war; eine Blase allerdings, die nicht an die Gesetze des Standarduniversums gebunden war und sich mit mehrmillionenfacher Lichtgeschwindigkeit durch den Raum bewegte. Sie war noch mehr als sechzig Millionen Lichtjahre von Seth-Apophis entfernt, als sie von der Superintelligenz per Jet-Strahl entdeckt wurde und den Namen Psi-Rubin erhielt, weil sie eine geringfügige optische Sekundärstrahlung im Bereich roter Wellenlängen abgab.

Unersättlicher Hunger nach Wissen und fremden Bewußtseinen beschwor für Seth-Apophis später eine Katastrophe herauf, sie drohte das Opfer der eigenen Gier werden. Aber ihr Überlebenswille war stärker, und sie erinnerte sich an die Psi-Rubin. Seth-Apophis, die zu dieser Zeit schon eine große Anzahl Fremdbewußtseine an sich gebracht hatte, transferierte diese ins Innere des psionischen Feldes und fuhr auch weiterhin damit fort. Das Gebilde reagierte darauf mit einer grundlegenden Veränderung seines Verhaltens.

Es wurde zu einer Scheibe von 2000 Lichtjahren Durchmesser und 100 Lichtjahren Dicke. Hatte es bisher einen geradlinigen Kurs verfolgt, bewegte es sich nun spontan und chaotisch durch den Weltraum. Mehr noch – es begann damit, jede erreichbare Art von Energie in sich aufzusaugen, entzog Sonnen ihre Wärme und verwandelte sie in erstarrte Schlackebrocken. Es absorbierte die Bewegungsenergie interstellarer Materie und ließ kosmische Staub- und Gaswolken als erfrorene, kristalline Substanz zurück, mit Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt.

Die aufgesaugten Energiemengen entluden sich in Explosionen, welche die Wirkung von Hunderter Supernovae entwickelten. Während des Explosionsvorgangs emittierte das Gebilde eine Flut intensiven roten Lichts, was ihm, zusammen mit der durch ihn hervorgerufenen Kälteerstarrung heimgesuchter Objekte, den Namen Frostrubin einbrachte.

Schätzungsweise zwanzig bis dreißig derartige Explosionen fanden seit der Übernahme durch Seth-Apophis statt, was jedesmal mit unermeßlichen Schaden für den jeweiligen Abschnitt des Universums und dessen Bewohner verbunden war, bis es vor rund 2,2 Millionen Jahren, unmittelbar nach einer schweren Eruption – als S Andromedae im Jahr 1885 in der Galaxis Andromeda beobachtet – den Porleytern gelang, den Frostrubin zu verankern ...

Rainer Castor