PERRY-RHODAN-Kommentar 2083


DAS »6-D-JUWEL«


Er verstand sich als junges, geschwächtes Geisteswesen auf Wanderschaft durch Raum und Zeit, auf der Suche nach einer Heimat ... Seine Aufmerksamkeit fiel auf einen Sauerstoffplaneten, der sich objektiv gesehen durch keinerlei Besonderheiten auszeichnete ... Ein kosmisches Kraftfeld umhüllte jedoch den Planeten, ein sechsdimensional funkelndes Juwel, und die Verlockung schien ihm so mächtig, daß der Wanderer sich nicht entziehen konnte. Er glaubte sagen zu können, daß er seine Heimat gefunden hatte; auf dem dritten Planeten einer gelben Sonne. (PR 2000)


Wir kennen Lotho Keraetes Bericht über die Genese von ES, müssen uns aber fragen, was genau die geschwächte Entität wahrgenommen hat, als sie die Erde erreichte. Ein sechsdimensional funkelndes Juwel? Das sagt alles und nichts – zumal es in der Milchstraße kein Meßinstrument gibt, das dieses Etwas nachweisen könnte, denn ansonsten wäre seine Existenz ja längst festgestellt worden.

Schon an anderer Stelle haben wir über dieses Etwas spekuliert, allerdings ohne eindeutiges Ergebnis. Zur Erinnerung: ES hatte das INSHARAM keineswegs als Superintelligenz verlassen, sondern diesen Entwicklungssprung erst rund vier Millionen später mit Hilfe der Vojariden bewältigt, bei dem sich die »Geburtshelfer« zu den Nocturnen entwickelten. Nicht zuletzt deshalb sind wir davon ausgegangen, daß das über den Chronisten Delorian Rhodan in ES einfließende zeitlose Wissen nicht von Anfang an bewußt zur Verfügung stand, sondern erst später erkannt wurde.

Ein erster »Schub« dieses Wissens – so unsere Vermutung im PR-Kommentar 2047 – war vielleicht die scheinbar ins Außen projizierte Wahrnehmung des Juwels, also ein Blick in die Zukunft, der die Verankerung der Entität mit der Erde ebenso wie die vielfältigen Verknüpfungen durch Raum und Zeit zeigte. Als Alternative bot sich allerdings auch das zu jener Zeit schon von den Loowern auf der Erde deponierte Auge Laires an ...

Wie sich durch die nun geschilderten Ereignisse ergibt, trifft weder das eine noch das andere zu: Das ominöse Juwel existierte eindeutig vor der Ankunft von ES – und es existiert heute noch, obwohl ES im PULS verschwunden ist. Mehr noch: Auch SEELENQUELL hat das sechsdimensionale Kraftfeld als solches erkannt und Morkhero gegenüber die Vermutung geäußert, daß ES dieses als eine Art Kraftquelle benutzte, um sich zu stärken und schneller zu wachsen.

Was passiert wäre, hätte SEELENQUELLS »Geburt« nicht auf Arkon I, sondern auf Terra stattgefunden – die neue Superintelligenz also quasi »in das Juwel hineingeboren« worden wäre –, stellen wir uns wohl besser nicht vor. Höchst interessant ist allerdings SEELENQUELLS Beobachtung, daß das Feld nun auf ihn abstoßend wirkt und ihm als Superintelligenz ein persönliches Eindringen nicht möglich ist.

Wie der Plan ausgeht, sich – oder wenigstens einen Teil von sich – durch Morkhero Seelenquell gleichsam ein zweites Mal selbst »zu gebären« und einen »Ableger« zu schaffen, ist im vorliegenden Band nachzulesen und für unsere eigentliche Fragestellung nicht von Interesse. Bestenfalls ist es insoweit interessant, als durch die Ereignisse nun vielleicht auch SEELENQUELL eine Schwächung erfahren hat ...

Denn das ist weiterhin unbeantwortet ...

Das Problem ist, daß die terranische Hyperphysik, trotz der Weltbild-Erweiterungen von Kalup, Waringer, Hamiller und Ambush im Kern weiterhin auf der phänomenologischen Hyperphysik der Arkoniden basiert. Von diesen wurde das hyperphysikalische Basisaxiom übernommen, bei dem als Ausgangsbedingung zwar die formale Darstellung eines Vektors in einem n-dimensionalen Zustandsraum diente – vergleichbar der schon durch David Hilbert entwickelten mathematische Theorie, die seit Ende der 1920er Jahre eine bequeme Formulierung der Quantenmechanik zuließ –, aber zur »Vereinfachung« hatten die Arkoniden die n-dimensionale Darstellung stets auf eine rein fünfdimensionale eingeschränkt.

Bis in die Gegenwart finden deshalb bei Betrachtungen des Hyperkontinuums meist »nur« die 5-D-Parameter Berücksichtigung. Gefangen in der Praxis der »Dimensionenleiter«, wurden und werden zwar Einzelphänomene beobachtet und benannt, aber sie lassen sich letztlich weder exakt einordnen noch deuten, weil der verbindende theoretische Überbau fehlt. Denn mathematisch ist es kein Problem, mit fünf-, sechs-, sieben-, elf-, sechsundzwanzig- oder letztlich n-dimensionalen Algorithmen zu jonglieren. Die Frage ist jedoch, welche praktische Bedeutung das alles hat.

Zwar war schon Bernhard Riemann im 19. Jahrhundert durch Zufall darauf gestoßen, daß Naturgesetze einfacher wurden, wenn man sie konsistent in höheren Dimensionen ausdrückte, doch selbst der Hamillerschen Algebra ist es nicht gelungen, ein hyperphysikalisches Modell zu liefern, mit dem sich Cappinsche Sextadimphysik oder gar die siebendimensionalen Vorstellungen der Kelosker eindeutig interpretieren ließen.

Was als fünfdimensional umschrieben wird, ist im allgemeinen im niederfrequenten Bereich des hyperenergetischen Spektrums angesiedelt; hier finden sich die hyperphysikalischen Äquivalente der vier konventionellen Fundamentalkräfte und der Übergang zum UHF-Band, wobei schon einige Parakräfte in den Sextadimbereich hineinreichen, wie seinerzeit Ribald Corello als Quintadimtrafer oder die Pedotransferierung der Cappins gezeigt haben.

Höherfrequentes führt offensichtlich zu Dingen, die temporale Effekte und Phänomene, die Ambushsche Pararealistik und die übrigen Paralleluniversen, die ÜBSEF-Konstante, Psi-Materie sowie die On-, Noon- und Psionischen Informationsquanten betreffen. Und mit diesen wiederum scheint eine Erweiterung in den Sexta- oder gar Septadim-Bereich verbunden zu sein.

Bis aber hier konkretere Modelle und Theorien entwickelt sind, wird das sechsdimensional funkelnde Juwel wohl weiterhin ein Rätsel bleiben ...

Rainer Castor