Das neue Arkon III ist nicht »nur« ein neuer Kriegsplanet, dessen wahre Industriekapazität sich noch herausstellen muß. Mit ihm verbunden ist auch die neue Defensiveinrichtung in Form einer weißblau-kristallin strahlenden Sphäre mit einem Radius von etwa 21 Lichtstunden oder 22,68 Milliarden Kilometern, die erstmals am Morgen des 27. Dezember 1303 NGZ aktiviert wurde und seither das Arkonsystem vollständig einhüllt.
Dieser Kristallschirm war als weiteres Wahrzeichen des Huhany’Tussan gedacht, stellt nun aber einem extremen Schutz der negativen Superintelligenz SEELENQUELL dar. Mit ihrem Vorstoß nach Arkon III gelang es den Wildcats der USO-Katsugos Bostichs geheime Echodim-Datei abzurufen, die wesentliche Daten zum Kristallschirm enthält.
Inwieweit sich daraus ein brauchbares Gegenmittel konstruieren läßt, ist eine andere Frage – mindestens ebenso wichtig ist, daß überhaupt untersucht werden kann, um was genau es sich bei dieser systemumspannenden Defensiv-Einrichtung handelt. Fassen wir deshalb Bullys Vortrag noch einmal zusammen. Die von Bostich seinem zum Ka’Marentis, dem Chefwissenschaftler, ernannten Freund Aktakul übertragene Aufgabe orientierte sich an folgenden Bedingungen:
Als Wissenschaftler durchaus in die Reihe der Koryphäen wie Kalup, Waringer oder Hamiller einzuordnen, war Aktakul klar, daß die Forderungen seines Imperators nur dann umzusetzen waren, wenn er natürliche Prozesse und Phänomene modifizierte. Hinsichtlich der Erstellung und der Steuerung des eigentlichen Kristallschirmes mußte demnach mehr der Aspekt einer katalytischen Anregung gesehen werden; frei nach dem Motto: kleine Ursache, große Wirkung.
Die hierzu notwendige Grundlagenforschung begann schon kurz, nachdem Bostich I. seine entscheidende »Vision« in Gestalt der »Konferenz der Herrscher« in der Nacht vom 8. auf den 9. März 1246 NGZ hatte, und wurde ab 1260 NGZ forciert. Während auf Subtor der konventionelle Ausbau voranschritt, diente der 21. Planet des Arkonsystems, Eigenname Urengoll, Aktakul als »Spielwiese« für seine Versuche.
Welche Schwierigkeiten er zu überwinden hatte, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Wenden wir uns deshalb gleich dem Grundprinzip zu, das bei genauerer Betrachtung recht »simpel« anmutet: Die Sonne Arkon verfügt wie jeder andere Stern auch über eine Heliosphäre, deren Ausdehnung dort endet, wo der Staudruck des Sonnenwindes gleich dem Druck des interstellaren Mediums wird.
Hauptbestandteile der Korpuskularstrahlung des Sonnenwindes sind Protonen und Elektronen mit Dichten von einigen Millionen Teilchen pro Kubikzentimeter und einer mittleren Geschwindigkeit von etwa 500 Kilometern pro Sekunde. Weil dieser Sonnenwind nun mit Überschallgeschwindigkeit auf das interstellare Medium prallt, bildet sich in Form der sogenannten Heliopause eine Stoßfront aus, eine relativ dünne, turbulente Übergangszone, in der sich Dichte, Temperatur und Magnetfeld sprunghaft ändern.
Insgesamt dreihundert über Arkon III verteilte, durch Gravitraf-Speicher in redundanter Ausfertigung versorgte Projektorstationen von je zwei Kilometern Durchmesser wirken mit multifrequenten hyperenergetischen Anregungsimpulsen auf einen Teil der natürlichen Hyperstrahlung der Sonne ein, daß diese mit der Heliopause in Resonanz tritt – also eine Kopplung wie bei einer mitschwingenden Stimmgabel stattfindet – und ihr ähnlich einer »Resonanz-Katastrophe« eine neue Qualität verleiht.
Ein Teil der Hyperstrahlung manifestiert sich nämlich in der Stoßfront-Übergangszone als instabile Hyperbarie, jenes Hyperäquivalent, das im Standarduniversum Masse und Gravitation ergibt. In ständiger Fluktuation zwischen diesen winzigen pseudomateriellen Hyperkristallen und dem energetischen Hyperbarie-Zustand sind diese Manifestationen nun ihrerseits multifrequente Hyperstrahler.
Die hyperenergetische Emission permanent entstehender und wieder vergehender Nano-Hyperkristalle überlagert nun wiederum mit der natürlichen Hyperstrahlung der Sonne und erzeugt dadurch die eigentliche Schutzwirkung in Form einer undurchdringlichen Grenzschicht dicht vor der Heliopause-Stoßfront, die somit innerhalb des Kristallschirms liegt.
Da der Sonnenwind in Abhängigkeit von der Sonnenaktivität in Stärke und Geschwindigkeit variiert, ist auch die durch Heliopause und Kristallschirm markierte Zone keineswegs statisch, sondern ebenfalls Schwankungen unterworfen, die einen Bereich von plus/minus 1,24 Millionen Kilometern betreffen.
Bezogen auf den vom Kristallschirm erzielten Effekt, spricht Aktakul von einem »pararealen Resonanz-Austausch«: Sämtliche von außen eindringenden Einflüsse energetischer, festmaterieller oder hyperphysikalischer Natur werden durch die Grenzschicht in eine Pararealität umgeleitet und verschwinden somit unwiederbringlich aus dem Standarduniversum – was in gewisser Weise eine Umkehrung des Hypertrop-Zapfens darstellt.
Noch ist nicht bekannt, ob und welche Leistungsgrenzen der Kristallschirm besitzt. Mit Blick auf das Grundprinzip seiner Erzeugung dürfte jedoch feststehen, daß es sich um ein Defensivsystem handelt, welches ausschließlich im großen Maßstab durch die Ausnutzung der natürlichen Ausstrahlung einer Sonne zum Einsatz gebracht werden kann.
Rainer Castor