An Bord des Ritterschiffes INT-CROZEIRO erfährt Atlan von Tayrobo die Geschichte der Ritter von Dommrath. Zumindest in weiten Teilen ist dies auch und vor allem die Geschichte der langlebigen Kimbaner und hierbei die der Mitglieder der Kascha-Familie, angefangen beim legendären Zyn Kascha, über Yie Kascha’de, Ja-Ron Kascha bis hin zu Mohodeh Kascha. Ihre Erlebnisse und Erfahrungen schildern der vorangegangene und der vorliegende Band, so daß wir Gelegenheit haben, uns mit einigen Hintergründen zu befassen.
Die Kimbaner und die mit ihnen nach Pooryga gekommenen Caranesen wurden durch die Ereignisse in Kohagen-Pasmereix traumatisiert, und das gleich auf mehrfache Weise: Sie wurden nicht nur Zeuge jener gigantischen Schlacht, die in die Vernichtung des Doms Dommrath mündete und die Sterneninsel an Ganzes vernichtete, sondern mußten ebenso erkennen, daß die von ihnen verinnerlichte Lehre eines geordneten, friedlichen Universums nicht zwangsläufig den Vorstellungen der Kosmokraten entspricht – von denen der Chaotarchen ganz zu schweigen.
Zyn Kascha hatte sich der schmerzlichen Erkenntnis zu stellen, daß Moral und Ethik keineswegs von irgendwelchen abgehobenen, weit entrückten »Hohen Mächten des Kosmos« abhängen dürfen, sondern daß es viel wichtiger ist, daß jedes einzelne Lebewesen sich der Verantwortung bewußt wird – und in diesem Sinne auch denkt und handelt.
Im Gedenken an die untergegangene Kultur kam es zwar zu den Bezeichnungen Dommrath und Ritter von Dommrath, aber es sollte eine »Streitmacht des Friedens« sein, die ohne Hohe Mächte gleich welcher Couleur, einem von ihnen stammendem Jahrmillionenwissen oder Beauftragten wie die Ritter der Tiefe auskam.
Die im Zuge der ausgedehnten Entdeckungsreisen durch den Kosmos gemachten Erfahrungen bestärkten die Ritter von Dommrath eher in ihrer Vorgehensweise und ihrer Einstellung, als daß es zu einer Abschwächung gekommen wäre. Für sie war Frieden kein »leeres Wort«, das sich im Zweifelsfall unterzuordnen hatte, um effektiver für »die Ordnung« der Kosmokraten kämpfen zu können, sondern Ausdruck der grundsätzlichen Überzeugung.
Als das wichtigste Hilfsmittel der Kosmokraten im Kampf gegen die Mächte des Chaos gilt die Intelligenz. Die dezentral organisierten kosmokratischen Helfer, deren Mitglieder und Organisationen zyklisch entstehen und vergehen, haben deshalb die Aufgabe, das Leben im Multiversum zu fördern und zu verbreiten. Die Sporenschiffe säen mit der Ausstreuung von On- und Noon-Quanten die Grundlagen; die von anderen Beauftragten erbauten und gesteuerten Schwärme tragen die Intelligenz weiter. Häufig beginnt der eigentliche Kampf erst, wenn Leben entstanden, herangereift und zu immer neuen Entwicklungshöhen hinaufgestiegen ist. So lauteten die Aussagen des Kosmokraten Hismoom in PR 1988.
Leben und Intelligenz lassen sich aber schwerlich mit Sporenschiffen und Schwärmen wirkungsvoll fördern, wenn sie nicht gleichzeitig in allen ihren Ausprägungen als höchstes Gut angesehen und anerkannt werden. In ihrer Überhöhung in die Bereiche »jenseits der Materiequellen« scheinen die Kosmokraten – wie die Chaotarchen – das rechte Augenmaß mitunter zu verlieren, sofern sie es überhaupt besitzen. Moral und Ethik der normaluniversellen »niederen« Lebensformen lassen sich auf sie jedenfalls nicht übertragen, und sie sind in solchen Kategorien auch nicht zu messen.
Eine »Personifizierung« ist ebenfalls eine völlig falsche Einschätzung, wird doch schon mit den Superintelligenzen und mehr noch mit den Materiequellen und Materiesenken ein Kollektiv verbunden, das weit jenseits der Vorstellungen eines Einzelwesens angesiedelt ist, ja sein muß. Dieser Aspekt kommt bei den Kosmokraten und Chaotarchen noch mehr zum Tragen; auch bei ihnen formt das Ganzheitliche stets mehr als die Summe der Einzelteile.
Die Polarisierung in Ordnung und Chaos, einerseits »personifiziert«, aber auch vereinfachend – oder gar verfälschend – interpretiert als ewiger Kampf zwischen Gut und Böse, war und ist eine Sichtweise, die sich die Ritter von Dommrath nicht zu eigen machten, und das wohl völlig zu Recht. Die kategorische Einschränkung auf ein dafür oder dagegen hatte und hat mit ihren Prinzipien nichts gemeinsam, läuft es doch zwangsläufig auf eine Verwicklung hinaus.
Andererseits fand und findet auch der Weg eines Thoregons keinen Zuspruch, waren meist doch schon mit der Errichtung eines solchen Ereignisse verbunden, die mit der Umschreibung katastrophal wohl am besten getroffen werden. Hinzu kommt, daß Thoregons, die die Wirren und Folgen der Gründungsphase überstehen, nicht zwangsläufig für Frieden eintreten, ganz im Gegenteil – vor allem Ja-Ron Kascha sah deshalb in den von den rätselhaften Helioten vorangetriebenen Entwicklungen keineswegs ein positives Signal.
Ob mit dem Mega-Dom bei der Riesensonne Mattane schon einmal in der Vergangenheit dieser Sterneninsel ein gescheitertes Thoregon verbunden werden muß, bleibt Spekulation – viel wichtiger war und ist für die Ritter von Dommrath, daß für die Zukunft unter allen Umständen die Entstehung eines Thoregons im Land Dommrath verhindert werden muß. Solange der Mega-Dom vorhanden ist, läßt sich solches nicht ausschließen.
Um sich aus den Auseinandersetzungen und Kriegen um die Vorherrschaft im Universum oder gar im Multiversum herauszuhalten, propagierten die Ritter von Dommrath als erstes die Isolation, gefolgt von einer Begrenzung des technologischen Niveaus, so daß als Ergebnis die Mediane Kultur entstand – ein Kreisen um das zivilisatorische Mittelmaß als ein allgemeinverträgliches Optimum, in dem Frieden und Wohlstand langfristig und für möglichst viele Zivilisationen erreicht und gesichert werden.
Im Land Dommrath mögen diese Überlegungen durchaus von Erfolg gekrönt sein – doch inwieweit es auf andere übertragbar erscheint, ist eine ganz andere Frage.
Rainer Castor