PERRY-RHODAN-Kommentar 2035


QUO VADIS, SOL?


Dringende Warnung: Zuerst Roman lesen!

Was Jamaske als Projektions-Ausgeburt der Inzaila Paumyr in ihrer Rautak-Mythologie an Bord der SOL zu verkünden weiß, ist derart verbrämt, daß sich fast schon jede Spekulation verbietet. INSHARAM – der Ort hinter dem Alshma Ventor, dem Schlafenden Licht; unendlich weit von Auroch-Maxo entfernt, eine Oase des Friedens, in der das Wissen und die Weisheit des Kosmos gesammelt werden ...

Na wunderbar! Wäre nicht die zweite eindringliche Botschaft von ES, daß sich die SOL nach der Bergung des Kym-Joriers schnellstens nach INSHARAM zu begeben habe und dort weitere Anweisungen folgen würden, könnte man das Ganze durchaus als »wirres Gefasel« abtun. So jedoch, parallel zu dem Höhepunkt von Hauchmén Zovirasch, dem Ende der Welt, gewinnen die Ereignisse eine Eigendynamik, der sich niemand an Bord der SOL entziehen kann. Die Odyssee geht weiter!

An dieser Stelle ist es wohl angebracht, innezuhalten und zu versuchen, ein Resümee zu ziehen.

Da haben wir zum Beispiel die SOL selbst. In MATERIA umgebaut, von Shabazza zurückerobert, das Innere der Erweiterungs-Seitenflansche des Mittelteils weiterhin eine Trümmerwüste mit unbekannten Resten und möglicherweise in Erscheinung tretenden Gefahren. Carithülle und Hypertakt-Triebwerk sind in ihren Leistungsgrenzen keineswegs exakt einzuschätzen.

Eigentlich ist es im höchsten Maß unverantwortlich, mit einem solchen Raumschiff, das weiterhin auf einen ausgedehnten Werftaufenthalt wartet, auf Reisen zu gehen. Der Verweis auf den Auftrag, um nicht zu sagen Zwang, von ES mag da eine Ausrede zur Selbstbeschwichtigung sein, kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Superintelligenz ihre »Schützlinge« (wieder einmal) mit recht unzulänglich erscheinender Ausstattung die berüchtigten Kastanien aus dem Feuer holen läßt.

Andererseits: Vor dem Hintergrund der Zeitreise, den mit den Zeitscheide und der offensichtlich zu schließenden Zeitschleife verbundenen Aspekten könnte das Handeln ES’ Teil eines 18 Millionen Jahre umfassenden Zirkelschlusses sein, der auf die Formel hinausläuft: Es geschieht, weil es geschah. Und jede Abweichung genau von dieser Linie, die in einen in sich zurückführenden Kreis mündet, würde genau das Paradoxon heraufbeschwören, das eben nicht eintreten soll. Dazu gehört dann auch, daß eben die SOL genau zum jetzigen Zeitpunkt und in genau diesem Zustand die Reise zu unternehmen hatte, nicht früher, nicht später, nicht anders!

Vergleichbares läßt sich ja aus anderen Zeitkreisen ableiten – sei es jener, der über den Kontakt zu Epetran zur Zerstörung des Robotregenten auf Arkon III führte, die Versetzung der CREST III und des ihr nachfolgenden Flottentenders DINO III, was zur Entstehung von OLD MAN führte, bis hin zu Ovarons Begegnung mit sich selbst und den übrigen mit dem Nullzeitdeformator verbundenen Ereignissen.

Noch bleibt offen, wie sich der Kreis genau schließen läßt und ob es wirklich gelingt – denn an der Zeitscheide gibt es zwangsläufig keine Garantie. Eine Antwort wird wohl erst der Ort INSHARAM liefern können oder gar nachfolgende Stationen der Reise.

Ein zweiter Punkt ist Segafrendo. Hier haben wir von der Galaktischen Krone und ihrem Kampf gegen die von K’UHGAR entsandten Mundänen erfahren. Die Entstehung von ESTARTU – dem »grenzenlosen Glück« – aus dem Koridecc-Schmetterling und der Sorrmo-Sporenwolke wurde ebenso offenbart wie die Tatsache, daß ESTARTU ein Thoregon zu errichten versuchte.

Die Galaktische Krone wird untergehen, so, wie sie aus Sicht des Jahres 1303 NGZ vor 18 Millionen Jahre untergegangen ist. Ob es in der Gegenwart der Solaren Residenz noch Mundänen, ihre Riesenflotten und S-Zentranten gibt, bleibt eine offene Frage. Zu wünschen wäre natürlich, daß sie im Verlauf der Jahrmillionen untergingen, im Staub der Geschichte verschwanden. Denn eine Invasion dieser Art ist der ohnehin gebeutelten Milchstraße in keinem Fall zu wünschen.

Mit dem Blauen Blond lernten wir eine faszinierende Kultur und Zivilisation kennen, über die mehr zu erfahren sicherlich angebracht gewesen wäre. Wie mag es auf dem Höhepunkt wirklich ausgesehen haben? Damals, als die Josminen in ihren Sphärenrosen noch über Jahrtausende hinweg die Sicherheit gewährleisteten und die Tharoidoner ihre auf Kunst ausgerichtete Mentalität in vollen Zügen ausleben konnten? Wir werden es wohl niemals erfahren.

Segafrendo ist, wie es momentan scheint, Vergangenheit; K’UHGAR übernahm die Herrschaft (oder wird sie übernehmen), und es ist wohl besser, wenn es nicht zu einem wie auch immer gearteten Kontakt kommt. Vor diesem Hintergrund stellt die mit dem eroberten S-Zentranten MASMOKO entschwindende Inzaila Paumyr ein Hoffnungsschimmer dar! Paumyr konnte sich zwar nicht zu einer Inzaila Onda, der höheren Entwicklungsstufe, transformieren. Aber dieses Geschöpf wird wohl neues Glück irgendwo in den Weiten des Universums finden, und vielleicht hören wir ja irgendwann noch einmal von ihm ...

Die SOL taucht in Alshma Ventor ein, in jenes Phänomen am Südpol von Auroch-Maxo-55, für dessen Erforschung keine Zeit bleibt. Hyperphysikalische Anomalien, einander überlappende verschiedenartige Strangeness-Werte, Ausstrahlungen, die ebenso an Sonnentransmitter wie auch an Schwarze Löcher erinnern – alles in wilder Mischung, rätselhaft und fremdartig. Es ist nicht einmal sicher, ob die aufgezeichneten Daten und Parameter später einmal befriedigend ausgewertet werden können.

Und die Beobachtung, daß neben vielen anderen Eigenheiten in der Tat transmitterähnliche Eigenschaften angemessen wurden? Mit der Bezeichnung INSHARAM ist das Ziel nur äußerst vage umschrieben. Mythisch und orakelhaft wie vieles, was mit ES zusammenhängt. Noch? Weiterhin? Es bleibt nur die Hoffnung, daß das Hantelraumschiff sein nächstes Ziel wohlbehalten erreicht. Bis dahin heißt es: Quo vadis, SOL?

Rainer Castor