Dringende Warnung: Zuerst Roman lesen!
Der Planet Pragaend war einmal ein Stützpunkt der »Kosmologen von Segafrendo«, deren Aufgabe darin bestand, die Herrschaft der Superintelligenz ESTARTU zu protokollieren, zu interpretieren und vor allem aufzuzeichnen. Chronisten also, die sich dazu berufen fühlten, Entstehung, Wirken und Glanz ESTARTUS zu dokumentieren und zu preisen. Viele Fragen würden sicher geklärt werden, bekäme die SOL-Besatzung Zugriff auf ein Archiv der Kosmologen.
Unglücklicherweise wurden diese Archive und Kosmologischen Theater bei der Schlacht von Torm Karaend vor 22 Erdjahren am 944.8739.35. Segaf vernichtet, denn in den letzten dreißig Jahren traten die mächtigen Mundänen massiver als zuvor auf den Plan und haben die Galaktische Krone in die Knie gezwungen, so daß das frühere Herrschaftssystem in der riesigen Kugelgalaxis so gut wie zerbrochen ist.
Inwieweit die von den Schatztauchern« geborgenen goldenen Speicherscheiben Aufschluß geben können, bleibt vorläufig offen. Sicher ist nur, daß seit mehr als 1000 Jahren in Segafrendo Krieg herrscht, über dessen Entstehung und Gründe jedoch nichts mehr bekannt ist. Ebenfalls vor 1003 Jahren hatten die Mom’Serimer letztmalig Kontakt zur Superintelligenz ESTARTU.
Diese Informationen erhalten von anderer Seite her völlig neue Bedeutung, denn an Bord der SOL gelingt unterdessen die Analyse der Sternenkarte Segafrendos durch SENECA: Was wir schon vermutet haben, wird der SOL-Besatzung nun durch die Berechnungen auf schockierende Weise vor Augen geführt – die bislang als unbekannt eingestufte Galaxis ist den galaktischen Astronomen keineswegs unbekannt.
Um 3400 A.D. wurde eine vergleichbare Kugelgalaxis in die Kataloge aufgenommen; sie erhielt den Namen Hazel 14 und befindet sich 36 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt. Allerdings ist es mit einer Rückrechnung um eben jene 36 Millionen Jahre, die das Licht zur Überbrückung der Distanz benötigt, nicht getan. Der optische Unterschied zwischen Hazel 14 und Segafrendo – sprich die Veränderungen der Konstellationen markanter Sterne und Sternhaufen – läßt sich nur dann ausgleichen, wenn eine zeitliche Differenz von zusätzlichen 18 Millionen Jahren einkalkuliert wird.
Und das ist der eigentliche Hammer: Die Versetzung der SOL durch die Mega-Dom-Passage führte nicht nur über eine räumliche Distanz von 36 Millionen Lichtjahren, sondern auch um 18 Millionen Jahre in die Vergangenheit!
Was aber hat die Bergung des mysteriösen Kym-Joriers in einer 18 Millionen zurückliegenden Vergangenheit mit dem Fortbestand von Thoregon und dem der Menschheit in der Gegenwart zu tun? Während sich für die SOL die Ereignisse zuspitzen und Atlan sich der Kapitulationsforderung des mundänischen Heerführers vierter Klasse Shriftenz gegenübersieht, wagen wir einige Spekulationen.
Aus Lotho Keraetes Bericht zur Entstehung von ES wissen wir, daß Rezzaga, ein Mun-Krieger vierter Klasse (!), auf Jovinhar das letzte Mitglied des Blauen Blonds getötet hat. Danach entkam ein ins Riesenhafte wachsender Schmetterling – dem Kontext entsprechend wohl jene Vorform der späteren Superintelligenz, deren Bewußtseinsteile sich aus ES, ESTARTU und den negativen Komponenten zusammensetzte, aus denen ANTI-ES hervorgehen sollte.
Dieses Ereignis fand vor 18 Millionen Jahren statt. Von der zeitlichen Einordnung her scheint es folglich nicht allzu weit von der augenblicklichen Relativgegenwart der SOL entfernt zu sein; zwar haben die Mom’Serimer schon seit 1003 Jahren nichts mehr von ESTARTU gehört, aber irgendwo muß diese Superintelligenz ja sein.
Deshalb die der SOL-Besatzung genannte Frist? Steht in knapp einem Monat der Angriff Rezzagas bevor? Wenn ja, wer ist dann der zu bergende Kym-Jorier auf Auroch Maxo-55? Ein Vertreter des Blauen Blonds? Oder der Schmetterling? Und wie ist ESTARTU in das Ganze eingebunden?
Da die Kosmologen Segafrendos ebenso wie die Mom’Serimer stets von ESTARTU als Superintelligenz gesprochen haben, heißt es aufmerken. Denn im Gegensatz dazu stammt von Lotho Keraete die Aussage, die »kleine Schwester« in der kollektiven Entität sei älter als ihr »Bruder« und bei der Geburt der Zweckgemeinschaft zunächst zu einem zweitrangigen Bewußtseinssplitter verkümmert. Liegt hierin der Schlüssel? Gab es zuerst eine Superintelligenz namens ESTARTU, deren Existenz – durch die Mundänen? – beendet wurde und sich nach der Flucht aus der Schmetterlingsgestalt und der Vorform-Entität wieder neu bilden mußte?
Sollte das der Fall sein, muß Thoregon eine wichtige Rolle gespielt haben, denn weiterhin wurde ausgesagt, daß ESTARTU eine gewaltige Angst vor uralten kosmischen Feinden hatte, deren Erweckung unbedingt zu vermeiden sei. Mundänen? Einen Hinweis, was es mit der Angst auf sich haben könnte, lieferte der Besuch des Helioten mit dem Angebot zur Beteiligung an Thoregon – weil ESTARTU behauptete, »geheimes, unsagbares Wissen über Thoregon« zu besitzen, sie dieses allerdings aus dem Bewußtsein verdrängt habe, weil die Teilnahme in den Untergang führen würde. Wer in diesem Zusammenhang an die vom Kosmokraten Hismoom gemachte Prophezeiung des bevorstehenden Jahrtausends der Kriege denkt, liegt unter Umständen nicht einmal so falsch.
Zwar blieb der von ESTARTU befürchtete Untergang mit dem Entstehen des PULS von DaGlausch aus. Allerdings erschien auch kein Heliote, und von Sicherheit kann ebenfalls nicht gesprochen werden, soll mit einem Scheitern der Mission der SOL doch auch das Ende von Thoregon verbunden sein. Daß in der Vergangenheit, der jetzigen Gegenwart der SOL, Thoregon eine Rolle gespielt haben muß, belegt die hiesige Existenz des Mega-Doms und der NACHT.
Fragt sich nur, wie die übrigen Puzzleteilchen zusammenpassen, denn noch will sich kein wirklich schlüssiges Gesamtbild einstellen ...
Rainer Castor