Wichtige Warnung: zuerst Roman lesen!
Die SOL hat ihr vorbestimmtes Zielgebiet erreicht und steckt quasi von Anfang an mitten im Schlamassel. Daß es Probleme geben würde, hatte man an Bord natürlich einkalkuliert, immerhin ließ die Auftragserteilung kaum Zweifel an der Wichtigkeit der Mission aufkommen. Man hätte schon ein ziemlich blauäugiger Optimist sein müssen, um nicht mit Schwierigkeiten zu rechnen.
Doch daß es derart dick kommen würde, war weniger vorauszusehen: Zuerst dreht Vince Garron völlig durch und tötet fast die Besatzung, dann bekommt man es mit den Wächtern der NACHT in Gestalt der Mom’Serimer zu tun, und schließlich treten die Mundänen auf den Plan. Und über allem schwebt als bedrohliches Fanal die gesetzte Frist: Gerade einmal rund einen Monat terranischer Zeitrechnung verbleiben, um den Auftrag zu erfüllen – bis exakt zum 944.8741.87. Segaf muß von Auroch Maxo-55 ein Kym-Jorier geborgen sein.
Na, prima! Wer zum Teufel ist ein Kym-Jorier? Wo liegt Auroch Maxo-55? Doch damit der Fragen nicht genug: Wieso verwendet ES das Symbol ESTARTUS? Was hat ESTARTU mit der Galaxis Segafrendo zu schaffen? Sogar uns, die wir im Gegensatz zur SOL-Besatzung die in Band 2000 geschilderten Informationen kennen, verschließen sich die Zusammenhänge. Von den Mom’Serimern ist zum Beispiel zu erfahren, daß sie in Nacht-Acht seit 11.488 Segaf oder 1003 Erdjahren isoliert sind, denn vor genau dieser Zeitspanne verließ ESTARTU in einer überstürzten Aktion die NACHT.
Irgend etwas kann hier nicht stimmen! Die genannte Zeitspanne von der SOL-Bordzeit 1291 NGZ aus zurückgerechnet bringt uns ins Jahr 288 NGZ oder 3875 A.D.; zu diesem Zeitpunkt jedoch war ESTARTU erwiesenermaßen noch dezentralisiert im Universum Tarkan. Und selbst wenn das nicht der Fall gewesen wäre, hätte man die »Schwester« von ES in ihrer Mächtigkeitsballung zu suchen, und zu der gehört keine Galaxis namens Segafrendo.
Mehr noch: Im Zusammenhang mit ESTARTU fand noch nie eine solche Galaxis Erwähnung. Da es sich bei dieser jedoch um eine Kugelgalaxis von sage und schreibe 270.000 Lichtjahren Durchmesser handelt, kann diese eigentlich schwerlich so mir nichts dir nichts unter den Tisch gefallen sein ...
Das Hydra-Syndrom schlägt also mit voller Wucht zu; jedes neue Informationsfragment liefert gleich einen Wust weiterer Fragen. Versuchen wir also, uns der Angelegenheit von anderer Seite her zu nähern. Was wissen wir?
Gesichert ist, daß die NACHT als das Gegenstück zum PULS von DaGlausch, quasi der PULS von Segafrendo, angesehen werden muß – im Gegensatz zu ersterem aber mit einem Durchmesser von 0,42 Lichtjahren nur knapp halb so groß. Und auch das Gegenstück zum Kessel – Hesp Graken oder Feuer von Hesp Graken genannt – ist mit 2360 Lichtjahren Durchmesser kleiner als der 5000 Lichtjahre durchmessende Kessel. Als weiteren Unterschied gibt es die als »Stromschnelle« umschriebene Passage; in der NACHT ist sie ein Zehntel Lichtjahr vom Mega-Dom entfernt, ein energetisches Kugelfeld von 1220 Kilometern Durchmesser, in Segafrendo befindet sich der Austrittspunkt des Hyperdim-Tunnels 122.000 Lichtjahre vom Galaktischen Zentrum und 13.000 Lichtjahre vom Halo-Rand entfernt.
Und vor diesem »Passageschachtes« sind die Mundänen aufmarschiert. Sie können zwar mit ihren Raumschiffen nicht in die NACHT vorstoßen und werden bei einem solchen Versuch von den Waffensystemen Nacht-Achts vernichtet, aber sie blockieren den Aus- oder Eintrittspunkt in der Korona von Hesp Graken. Und die SOL fliegt ihnen genau in die Arme ...
Wer sind nun jene Mundänen? Viel wissen wir noch nicht. Sie stammen aus der Galaxis Dubensys und sind Mitglieder einer überaus brutalen, gewalttätigen Kriegerspezies, deren einziger Lebensinhalt offenbar das Kämpfen ist. Rein äußerlich unterscheiden sich die Mundänen wenig von umweltangepaßten, an höhere Schwerkraft gewohnte Menschen – wäre da nicht ihr Januskopf! Harmlos und starr erscheint das normalerweise hervorgekehrte Profangesicht, geprägt von fehlender Mimik, während im Gegensatz dazu das vom Haar verdeckte und nur bei hochgradiger Erregung, im Kampf- und Blutrausch nach vorne gedrehte Kampfgesicht eher das eines blutrünstigen Monstrums ist.
Ziel der Mundänen ist der totale Sieg, um sich dann neuen Eroberungen zuzuwenden. Auf diese Weise gelangten sie von Dubensys nach Segafrendo, wo ihnen die Galaktische Krone als Gegner gegenübertritt. Zum Hintergrund des Krieges in Segafrendo läßt sich darüber hinaus nichts sagen. Seine Anfänge lagen offensichtlich kurz vor ESTARTUS Verschwinden, und in der inzwischen legendären Schlacht von Rondell am 944.8739.58. Segaf, sprich vor rund zwanzig Erdjahren, gegen die letzte große Flotte der Galaktischen Krone scheinen die Mundänen einen überragenden Sieg davongetragen zu haben.
Als Mitglieder der Herrschaftskaste ebendieser Galaktischen Krone wird das »Blaue Blond« genannt – eine schöne Umschreibung, die zunächst jedoch ebenfalls mehr Fragen als Antworten aufwirft. Auch hier besitzen wir schon ein paar weitergehendere Informationen: In Band 2000 wurde nämlich das Ende des letzten Blauen geschildert, verbunden mit der davonfliegenden Erscheinung eines bunten, ins Riesenhafte wachsenden Schmetterlings – offensichtlich die Vorform der späteren Superintelligenz ES, wenn uns Lotho Keraetes Bericht zur Entstehung von ES nicht einen beachtlichen Bären aufgebunden hat.
Könnte das die Erklärung für einen ganzen Wust von Fragen sein? Das hieße aber, daß der SOL-Besatzung vermutlich eine ziemlich große Überraschung bevorstünde! Verbinden wir nämlich die beiden Informationen und ihre zeitliche Einordnung miteinander, würde ESTARTUS Anwesenheit in Segafrendo durchaus Sinn machen, allerdings in einem völlig anderen Kontext ...
Rainer Castor