Man muß nicht einmal die Position eines Advocatus Diaboli einnehmen, um behaupten zu können, daß Ziele, Planung und Umsetzung der Koalition Thoregon unter keinem guten Stern standen und stehen gelinde gesagt. Und das, obwohl (oder weil ...?) offensichtlich seit mindestens rund 100.000 Jahren auf das Konstituierende Jahr hingearbeitet wurde. Wie sehen nun die Ziele aus? Betrachten wir hierzu die Thoregon-Agenda:
1. Thoregon schützt Leben und Kultur seiner Mitglieder.
Schon die Frage nach dem Wie muß von skeptischem Stirnrunzeln begleitet werden. Shabazzas Aktivitäten zeigen ü berdeutlich, daß es, bei allem Aufwand von Heliotischen Bollwerken bis zu den Arsenalen der Baolin-Nda oder den Virtuellen Schiffen, mit dem Schutz nicht weit her zu sein scheint. ü berdies wirken die »innenpolitischen« Aktivitäten der Einzelvölker Thoregons ebenfalls nicht sonderlich vertrauenerweckend, wie weiter unten zu Punkt 3 nachzulesen ist.
2. Der einzelne ist soviel wert wie das Kollektiv. Das Wohl des einzelnen soll nicht für übergeordnete Ziele geopfert werden.
Klingt auf den ersten Blick ganz akzeptabel, bleibt aber, weil es nicht mehr als eine Absichtserklärung ist und nicht auf das Wie eingeht, ein Allgemeinplatz. Hier ist ebenfalls auf Punkt 3 zu verweisen, denn die einzelnen Thoregon-Völker scheren sich mitunter recht wenig um das Wohl des einzelnen, sondern sind eindeutig »kollektivistisch« einzuschätzen. Andererseits ist, wenn einzelne und Kollektiv gleichwertig sein sollen, der Umkehrschluß möglich, nämlich daß es gegenü ber dem Kollektiv eigentlich keine Bevorzugung des einzelnen geben dü rfte. Wie aber paßt hierzu dann ketzerisch gefragt die hervorgehobene Stellung der Thoregon-Boten ...? Advocatus Diaboli meint, daß zu diesem Punkt gleichfalls Stirnrunzeln angesagt ist.
3. Thoregon streitet für Frieden.
Dazu kann Advocatus Diaboli nur aufstöhnen: Die von den einzelnen Thoregon-Völkern angewandten Methoden erzeugen nämlich eher Frösteln als uneingeschränkte Zustimmung! Galornen-Drachen und Shifting, Nonggo-Vernetzung oder Shaogen-Sternlicht sind zumindest aus terranischer Sicht! wenig dazu angetan, in Freude auszubrechen. Sogar die mit den Gharrern verbundene Befriedung mittel Psi-Reflexion oder die Tätigkeiten der Gestalter in der Galaxis Karakhoum verlieren bei genauerer Betrachtung kaum den Ruch von mehr oder weniger »zwangsweiser Zieldurchsetzung«. Wie sagte doch gleich der Sklave? "Frieden ist was Feines ...«
Daß sich überdies der betriebene technische Aufwand als ziemlicher Schlag ins Wasser erwies und trotz aller Geheimhaltungspolitik, um nicht zu sagen »übertriebene Geheimniskrämerei«, Shabazzas Angriffen recht wehrlos ausgesetzt war beziehungsweise durch einen Typen wie Kummerog ad absurdum geführt werden konnte, zeugt schwerlich von einer Meisterstrategie. Zumindest hat Murphys Law mächtig zugeschlagen: »Was schiefgehen kann, geht auch schief ...«
Und die »Haupthandlungsträger«, die Thoregon-Boten? Die Rolle, die der Gestalter Jorim Azao als Erster Bote unter Umständen bei der Negativ-Entwicklung Sha Bassas gespielt hat, spricht nicht unbedingt für ihn. über seine sonstigen Boten-Aktivitäten ist bislang nichts weiter bekannt. Der Zweite Bote, der Galorne Ce Rhioton, wurde von Tessma überrascht und aufgefressen. Wie es seiner Nachfolgerin Kaif Chiriatha ergeht, bleibt abzuwarten.
Der Baolin-Nda Kunterherr, der Dritte Bote, kämpfte zwar gegen Nano-Kolonne und Suicidimpuls an, mußte dem Selbstmordbefehl aber letztlich nachgeben die Baolin-Nda sind praktisch ausgerottet. Und der Vierte Bote, der Nonggo Zenndicyl Pervorat Zeun, weilte schon lange nicht mehr unter den Lebenden, als Down Kempesch Kort sein Nachfolger wurde ... Bleiben Mhogena als Fünfter und Perry Rhodan als neuer Sechster Bote: eine wahrlich ruhmreiche Truppe!
Hauptaufgabe der Boten ist die eines Repräsentanten seiner Galaxis gegenü ber den Helioten, dem mysteriösen »Rat von Thoregon« sowie den anderen Koalitions-Mitgliedern. "Prächtig, prächtig!« ruft da Advocatus Diaboli, und sein ironischer Tonfall ist kaum zu überhören. Erst durch Mhogenas Bericht wird nun offensichtlich, daß eine weitere wichtige Aufgabe der Boten sein soll, auf der »Brücke in die Unendlichkeit« neue, bisher verschollene Brückenpfeiler und damit Ausgänge zu neuen Orten zu finden. Advocatus Diaboli jubelt: Immerhin erklärt sich so die mitunter lange Abwesenheit der Thoregon-Boten ...
Aber: Bedeutet diese Aussage, daß die ganze Thoregon-Sache vielleicht auf noch wackligeren Füßen stehen könnte? Nicht nur die Fragen nach Sinn, Zweck und Methoden Thoregons rücken verstärkt ins Blickfeld, sondern auch die nach Ursprung und Alter! Wer hat wann diese ominöse Brücke erbaut, deren Ausgangs- und Verbindungsmöglichkeiten deutlich umfangreicher und weiter gefaßt werden mü ssen, als bislang vom Advocatus Diaboli angenommen?
Könnte es Hunderte oder mehr »Tore« in Gestalt von Pilzdomen geben, in Bereiche, die womöglich viele zehn Millionen Lichtjahre entfernt sind, in zahllosen Galaxien? Ist die Brücke gar ein Uralt-Artefakt, das von Thoregon nur reaktiviert wurde, ohne genaueres darü ber zu wissen trotz Passantum der Boten? Fast sieht es so aus, und dann steht den verbliebenen beziehungsweise neu ernannten Thoregon-Boten einiges an Arbeit bevor von zusätzlich zu leistender überzeugungsarbeit ganz zu schweigen ...
Apropos 1967: Im Vietnamkrieg beginnen die USA mit ausgedehnten Entlaubungsaktionen; der Supertanker TORREY CANYON verursacht beim Auflaufen auf ein Riff die erste große ölpest vor einer europäischen Küste; der Sowjet-Kosmonaut Wladimir Komarow verunglückt tödlich beim Landemanöver der SOJUS 1; Professor Barnards erste Herzverpflanzung sorgt für Aufsehen.
Rainer Castor