Fast mußte man es erwarten: Perry Rhodans flammender Appell vor dem sich neu konstituierenden Galaktikum fiel nicht auf fruchtbaren Boden, ganz im Gegenteil. Die Eigeninteressen der Einzelvölker überwiegen, oder schlimmer noch es interessiert nicht, was sich im Zentrum der Milchstraße anbahnt. Kosmische Fabrik MATERIA? Jagd auf eine unbekannte Superintelligenz? Uninteressant ...
Was hilft es da, daß Perry Rhodan die Camelot-Koordinaten bekanntgibt? Für den unsterblichen Terraner der sich vermutlich viel mehr als »Galaktiker« fühlt, nicht zuletzt, weil er der Sechste Bote Thoregons ist, ist dieser 15. Januar 1291 NGZ ein rabenschwarzer Tag.
Was geht ihm nach der Abstimmungsniederlage durch den Kopf? Erinnert er sich an vergleichbare Situationen? An die Anfänge, als es darum ging, von der »Dritten Macht« zur vereinten Menschheit, einer terranischen Regierung, zu gelangen, und es schließlich zur Gründung des Solaren Imperiums kam, mit ihm, Perry Rhodan, als Erstem Administrator? An die zunächst positiv wirkende Aufbruchszeit, als Galaktische Allianz und Vereintes Imperium bestanden, um dann nach der Auseinandersetzung mit den Blues als Trümmerhaufen zu enden, was die Beschränkung auf die Weiterentwicklung des Solaren Imperiums erzwang, das seinerseits mit seinen Siedlern Probleme bekam - Stichwort Iratio Hondro und Plophos? Oder an das »Sterbende Imperium« nach der fürchterlichen Dolan-Attacke, der Milliarden Menschen zum Opfer fielen und in eine wirre Zeit Überleitete, aus der Interessenbünde und Nachfolgereiche der Terrasiedler hervorgingen Zentralgalaktische Union, Carsualscher Bund, Imperium Dabrifa und wie sie alle hießen? Oder an die GAVÖK, die Kosmische Hanse, ans Galaktikum (I) - abrupt endend mit Hangay-Transit, dem »Dichtmachen« DORIFERS und jahrhundertelanger Monos-Herrschaft?
Einigkeit und ein gemeinsames »an einem Strang ziehen« der galaktischen Völker ist beim Blick zurück wahrlich auf wenige Ausnahmefälle beschränkt. Mittlerweile scheint sogar eine gewaltige Bedrohung von außen eher inneren Widerstand hervorzurufen, statt in konkretes Handeln dagegen zu münden. So positiv es an sich ist, daß in Mirkandol, dem »Ort der Begegnung« auf Arkon I, die galaktischen Vslker zusammenfinden was nutzt es, wenn Einzelinteressen überwiegen und vom Erheben einer »Galaktischen Stimme" nicht die Rede sein kann? Sicher, es bedarf seine Zeit, um die "Internas" zu lösen, Eifersüchteleien und Mißtrauen zu überwinden, und ob es gelingt, bleibt ohnehin abzuwarten. Aber ist das ein Grund aus Angst, Ignoranz oder welchen Gründen auch immer , nicht den Blick über den »Tellerrand« der Galaxis zu erheben? Rhodan muß erkennen, daß die Zeit wieder einmal, immer noch? - nicht reif ist ...
Und dann kommt es zur Sensation: Auftritt der SHE´HUAN, dem von den Halutern umgebauten arkonidischen Flottentender von 4800 Metern Durchmesser! Blo Rakane, der weiße Haluter, spricht vor dem Galaktikum, und was er zu sagen hat, ist eine noch größere Sensation sofern es überhaupt eine Steigerung geben kann.
Für Jahrtausende haben sich die Haluter aus der galaktischen Politik herausgehalten, von wenigen Ausnahmen wie beispielsweise bei der Hilfe gegen die Dolans im 25. Jahrhundert alter Zeitrechnung abgesehen. Hervorgegangen aus den »Bestien« von M 87, fürchterliche Krieger, die den Untergang des Großen Tamaniums der Ersten Menschheit herbeiführten und den unvergleichlichen Exodus der Lemurer nach Andromeda erzwangen, dann durch die Formungsstrahlung des Psychogen-Generators friedfertig geworden, wurde aus den einstigen Ungeheuern eine extrem individualistisch eingestellte, auf 100.000 Mitglieder beschränkte Zivilisation. Zwar kämpften sie als Mitglieder des Galaktikums im Hundertjährigen Krieg an der Seite der galaktischen Vslker, doch die Zerstsrung der Oberfläche Haluts durch die Blitzer und die Ansiedlung auf dem Planeten Halpat in Andromeda bedeutete einen tiefen Einschnitt ...
Und nun das: Ausgerechnet die Haluter (oder gerade sie?), Einzelgänger par excellence, setzen ein Zeichen! ALLE 100.000 Mitglieder ihres Volkes wollen mit der SHE´HUAN nach Chearth fliegen! Sie nehmen die von den Guan a Var ausgehende Gefahr ernst! Und Blo Rakane läßt durch sein Handeln auch keinen Zweifel daran aufkommen, daß gleiches für die von der kosmischen Fabrik MATERIA ausgehende Gefahr gilt.
Ob das die Milchstraßenvölker aufhorchen läßt? Führt das zum Gesinnungswandel? Deutlicher als die Haluter kann man kaum handeln, es ist ein einmaliges Ereignis! Wenn das nicht aufrüttelt, ist wohl, wie man auf Terra mal sagte, »Hopfen und Malz verloren"!
Dieser Tag, den Perry Rhodan trotz allem als Tag einer bitteren Niederlage in Erinnerung behalten wird, dürfte in die Galaktische Geschichte eingehen, und erst zukünftige Generationen werden ermessen können, was genau die Entscheidung der Haluter bedeutete. Auf Terra besaßen die alten Chinesen für die Begriffe »Krise« und »Chance« das gleiche Schriftzeichen in diesem Sinne könnte sich der 15. Januar 1291 NGZ als Wendepunkt erweisen. Ob zum Positiven muß sich zeigen ...
Apropos 1965: Sir Winston Churchill stirbt; die Kriegshandlungen in Vietnam weiten sich aus; der Kosmonaut Alexej Leonow verläßt als erster Mensch für zehn Minuten die Raumkapsel und schwebt, nur durch eine Leine mit der WOSCHOD II verbunden, im All; die Raumsonde MARINER IV übermittelt Bilder vom Mars; die Rolling Stones erreichen mit »Satisfaction« Platz eins der britischen Hitparade; Albert Schweitzer stirbt; das Raketenfahrzeug SPIRIT OF AMERICA stellt mit 966,57 Stundenkilometern einen neuen Geschwindigkeitsrekord auf.
Rainer Castor