PERRY-RHODAN-Kommentar
Die Ertrusische Geschichte


[ERGÄNZUNG ZUM PRK (Ertrus-Block PR 2028-2031)]

QUELLEN: PR 150, 408, 531; ATLAN 66, 300; TB 97; PRC 1659;

»Grobraster«-Szenario Rainer Castor (z.T. angedeutet in TB 393)

Als sich terranische Kolonisten im Jahr 2026 auf dem dritten Planeten der gelben Sonne Kreit, 6136 Lichtjahre von Sol entfernt, ansiedeln und Zug um Zug durch Genmodifizierung zu Umweltangepaßten umgewandelt werden, handelt es sich um ein mit Sorgfalt geplantes Experiment.

Über die Entwicklung der Ertruser wird nie viel darüber gesprochen, aber den Siedlern stehen Mikrobiologen und Gen-Spezialisten zur Seite, die alle der Wissenschart damals bekannten Mittel einsetzen, um den Kolonisten die Anpassung an ihre neue Heimat soweit wie möglich zu erleichtern. Für die erste Generation ist der Aufenthalt auf der Riesenwelt Ertrus eine Qual. Die mörderische Schwerkraft läßt sich jeweils nur halbstundenweise ertragen. Aber schon die erste Nachfolgegeneration hat es dank genetischer Manipulation wesentlich leichter.

Die Biologen und Gentechniker sind fast einhundert Jahre lang an der Arbeit, bevor sie sich endlich zurückziehen und das Volk der Ertruser sich selbst überlassen. In dieser Zeit schufen sie die Subspezieshomo sapiens ertruris.

Bald schon gehören die reaktionsschnellen Ertruser mit zu den besten Raumfahrern in der bekannten Galaxis, und ihre an eine Schwerkraft von 3,4 g angepaßten Körper machen sie zu gefürchteten Kämpfern. Als treue Mitglieder des Solaren Imperiums, finden viele Ertruser auch den Weg zur USO – dem Vorbild des 2282 geborenen Melbar Kasom folgend.

Diese Situation ändert sich erst im 25. Jahrhundert. Unter den bis Mai 2436 von Dolans angegriffenen 98 Kolonialwelten des Solaren Imperiums befindet sich auch Mosthan, ein etwa zwanzig Lichtjahre von Ertrus entfernter und von Ertrusern sekundär-besiedelter Planet. Sämtliche Regierungsmitglieder werden bei dem Angriff von drei Dolans getötet, die Hauptstadt liegt in Schutt und Asche und eine Hungersnot bedroht die ertrusischen Riesen.

General Threndor Carsual (Senior) organisiert den Abwehrkampf und nutzt die Notstandsgesetzgebung, um dem Chaos Herr zu werden. Carsual schafft es, die kritische Versorgungslage durch einige rabiate Kaperflüge zu meistern und wird als Retter gefeiert. Mosthan ist deshalb eine der 410 Siedlungswelten, die am 14. Oktober 2437 den Verband des Solaren Imperiums verlassen.

Carsual regiert quasi-diktatorisch per Notverordnungen und Notstandsgesetzgebung, leitet geschickt den Wiederaufbau und schafft es, dreizehn weitere Welten, die ebenfalls von Dolans überfallen wurden, zu einem »Notbund« zusammenzuschließen. Dieser tritt bald unter dem Begriff »Carsualscher Bund« auf und bildet ab 2467 offiziell ein eigenständiges Minireich. Der Versuch das Generals, auch Ertrus selbst dem Bund »anzugliedern«, mißlingt jedoch, weil zu diesem Zeitpunkt die demokratisch gewählte Regierung weiterhin loyal zum Solaren Imperium steht.

2498 – die von den Dolans hinterlassenen Schäden sind längst beseitigt – stirbt Threndor Carsual bei einem Attentat; stets hatte er demokratische Wahlen versprochen, aber mit den ihm treuen Militär als Diktator regiert.

Sein Sohn, Threndor Carsual (Junior; geb. 2433), Chef der 2470 gegründeten Carsual-Partei auf Ertrus, gibt sich demokratisch und begrüßt die freien Wahlen innerhalb des Carsualschen Bundes, für den er dennoch eintritt, ohne jedoch die drohende Auflösung verhindern zu können – angeblich hat er sich mit seinem Vater überworfen und ist deshalb nach Ertrus gekommen.

Die Carsual-Partei wird zu einer Splittergruppierung mit einem Stimmenanteil um die drei Prozent; Threndor Carsual wendet sich von der Politik ab, tritt in die Flotte ein und beginnt dort eine steile Karriere: Im Jahr 2580 wird er Generalstabschef der Ertrusflotte. Die Verbindungen zur Carsual-Partei ließ er allerdings nie völlig abreißen; in informierten Kreisen gilt er sogar weiterhin als der eigentliche Chef dieser Gruppierung.

Politische Spannungen ab 2630 zwischen Ertrus und Terra bedingen, daß die Ertruser dem Solarem Imperium insgesamt zunehmend ablehnend gegenüberstehen: Sekundärkolonien von Ertrus wehren sich gegen den wirtschaftlichen Einfluß des Solaren Imperiums und wollen nicht länger von den »terranischen Zwergen« der Solaren Flotte »beschützt« werden.

Threndor Carsual sieht seine Chance gekommen; er fördert die Ablehnung propagandistisch und setzt sich mit markigen Worten für ein »starkes Ertrus« ein, das nicht länger von den »Zwergen Terras gebeutelt« wird.

Die Wahlen von 2645 verhelfen der Carsual-Partei, als deren Spitzenkandidat Threndor auftritt, zu einem Stimmenanteil von 23,7 Prozent. Die bisher mit absoluter Mehrheit regierende Ertrus-Liga muß die Carsualer als Koalitionspartner akzeptieren. Threndor wird Verteidigungsminister im neuen Kabinett – und hat darüber hinaus starken Rückhalt beim Offizierskorps der Ertrusflotte. Es ist die Rede von der (Wieder-)Entstehung des Carsualschen Bundes, diesmal aber mit Ertrus selbst als Zentrum.

Der Staatsstreich von 2651 kommt für USO und SolAb dann auch wenig überraschend. Threndor Carsual wird der Erste Regierende Gulort von Ertrus, der die Entscheidungen des exekutiven Triumvirats der Sektorenadminstratoren lenkt. Sein Rückhalt bei der Flotte gibt ihm die Macht, nahegelegene Systeme zu annektieren; der Carsual-Bund (II) wird proklamiert, er umfaßt 2652 insgesamt 35 Sonnensysteme.

Am 9. August 2784 berichtet Trivideo Terra von einem drei Tage zuvor auf den Planeten Shostomante stattgefundenen Plostas-Überfall; Auftraggeber sei vermutlich das Triumvirat des Carsualschen Bundes gewesen. USO-Verbände und eine von Gucky geführte Brigade der Solaren Abwehr vertreiben jedoch am 9. August die Plostas.

Threndor Carsual bleibt 190 Jahre an der Macht, bis im Juli 2841 die »Revolutionäre Widerstandsbewegung« gegen sein Regime vorgeht. Die USO unterstützt die Widerstandsbewegung, gleichzeitig versucht man herauszufinden, wer auf Ertrus für die wirtschaftlichen Schäden verantwortlich ist, die dem Solaren Imperium zugefügt wurden – unter anderem durch eine Aktion gegen NATHAN. Ziel ist der Sturz des Gulort und seines 148-Marionetten-Parlaments.

Während Nos Vigeland als führender Mann in der Opposition gilt, ist der eigentliche Chef der Widerstandsbewegung der Oberkommandierende eines Bodenabwehrbereichs, der Alphagont Hoeht Yaica (geb. 2641). Nos Vigeland, Runeme Shilter und Terser Frascati stehen unter dem hypnosuggestiven Einfluß des Ertrus-Mutanten; gleiches gilt für den Chef des Sicherheitsdienstes, Poia Hoyt. Exkurs: Erst sehr viel später wird bekannt, daß Yaica das »Ergebnis« eines Supermutanten-Versuchs von Báalols und Aras ist, die auf diese Weise das Solare Imperium zu schwächen versuchen; Yaica selbst wußte nichts von der Beeinflussung und vorgeburtlichen Manipulation, und sogar die USO erfuhr erst im Zusammenhang mit dem Supermutanten Ribald Corello davon.

Langaufgestauter Haß entlädt sich, als die Opposition und ihre Sympathisanten losschlagen; die Rebellion entwickelt sich zu einem Gemetzel. Etliche der 148 Marionettenabgeordneten werden getötet, andere begehen Selbstmord. Der Gulort stirbt in seinem Palast; er wurde 408 Jahre alt.

Als eine provisorische Militärregierung ausgerufen wird, kommt es zum Kampf zwischen Sinclair Marout Kennon (Vollprothesenträger, USO-Spezialist) und Yaica; letzterer stirbt nach einem Sturz von einer Felsenklippe. Von der hypnosuggestiven Zwangsblockade des Mutanten befreit, übernehmen Vigeland, Frascati und Shilter die Spitzenpositionen der Militärregierung; demokratische Neuwahlen werden baldmöglichst versprochen. Die Diktatur des Gulort ist zwar abgeschafft, aber es scheint, als habe die USO den »Bock zum Gärtner gemacht« (O-Ton Ronald Tekener, USO-Spezialist).

Bereits 2842 kommt es allerdings zum Zerwürfnis zwischen Vigeland auf der einen und Frascati und Shilter auf der anderen Seite, weil die beiden nicht daran denken, ihre Macht aufzugeben. Vigeland, zwar extrem ehrgeizig, letztlich aber eher dem Solaren Imperium verbunden, verläßt Ertrus und tritt nach strenger Prüfung in die USO ein. Frascati und Shilter regieren fortan alleine und mit diktatorischen Vollmachten, während Vigeland nach einer 12-jährigen Ausbildung zum USO-Spezialisten in der Hierarchie der USO aufsteigt.

Im Jahr 2907 kuriert Vigeland, zwischenzeitlich USO-Major, auf Mimas seine in einem Einsatz erlittenen Verletzungen aus. Hierbei kommt es zum Kontakt mit den Mutanten, die in den Monaten seit der First-Genesis-Krise ebenfalls auf Mimas leben. Die Mutanten wollen nicht in dieser Zwangslage bleiben – und Vigeland, von der Aussicht, einen Zellaktivator erlangen zu können, geblendet, bietet ihnen eine Fluchtmöglichkeit an.

Die Vorbereitungen dauern insgesamt zwei Jahre: Vigeland nimmt Kontakt zu Frascati und Shilter sowie zu Imperator Dabrifa auf, denen er ebenfalls Zellaktivatoren in Aussicht stellt; fortan gilt er als »dritter Mann« im Carsualschen Bund. Vigeland denkt zu diesem Zeitpunkt nicht daran, dem Solaren Imperium oder der Menschheit zu schaden, sondern will nur an das ewige Leben durch einen Zellaktivator.

Unterdessen haben Aras und Báalols im Zuge des »Projekts Supermutant« das Anti-Mädchen Gevoreny Tatstun auf Mimas eingeschleust; sie wird von Kitai Ishibashi schwanger, ist die Mutter von Ribald Corello und erhält den Zellaktivator des ermordeten John Marshall, um ihn später ihrem Sohn zu überreichen.

Am 4. März 2909 gibt Vigeland von Bord der RODENSTAAD aus das vereinbarte Zeichen: Mit Ausbruch der Second-Genesis-Krise flüchten die Mutanten, nachdem sie halb Mimas zerstört haben – neben anderen kommt der SolAb-Chef Allan D. Mercant bei einem Transmitterunfall ums Leben, nachdem er erfahren hat, daß der »dritte Mann« Carsuals ein USO-Major sein soll. Die Flucht der RODENSTAAD kann auch durch den Einsatz der Woolver-Zwillinge nicht aufgehalten werden, die offensichtlich durch eine Energiebarriere der acht gengeschädigten Mutanten durch eine Überladungsreaktion getötet werden.

Vigeland verabreicht den acht Mutanten mit dem vorbereiteten Essen »zustandsvariable Toxika, die bei bestimmter Aktivierungsstrahlung ihre molekulare Struktur ändern« und, mit Säurewirkung ausgestattet, sogar Zellaktivatorträger töten können. Im Minytso-System tritt die Second-Genesis-Krise in ihre entscheidende Phase; in ihrem Wahnsinn lassen die Mutanten den halben Planeten Amok laufen. Vigeland gibt den tödlichen Funkimpuls und kann vier Zellaktivatoren an sich bringen; fortan gilt er als Chef im ertrusischen Triumvirat.

Bis ins Jahr 3430 annektieren starke ertrusische Flottenverbände insgesamt 919 Sonnensysteme ehemals autonomer Kolonien. USO wie Solares Imperium müssen diesen Vorgängen weitgehend machtlos zusehen, da sich militärische Aktionen ausschließen, weil das Vorgehen gegen eines der Nachfolgereiche zugleich auch eine Reaktion der anderen zur Folge hätte, zumal man bereits intensiv am 500-Jahresplan arbeitet. Der Carsual-Bund steht auf dem Höhepunkt seiner Macht, als es am 30. Oktober 3430 zum Fall Laurin kommt.

Nach dem Beginn der Konzilsherrschaft des Hetos der Sieben wird der Carsualsche Bund von den Laren und Überschweren zerschlagen. Alle drei Herrscher finden im Jahr 3583 den Tod: Beim Gen-Kode-Destruktionsfeld handelt es sich um eine von Julian Tifflor geprägte Bezeichnung für die Strahlungskugeln von rund 100 Lichtjahren Durchmesser der larischen Stützpunkte und Raumschiffe in der Milchstraße, die mit Projektoren bestückt sind, deren Strahlung alle in den Bereich des GKD-Felds kommende Zellaktivatorträger tötet. Über die gesamte Galaxis verteilt, bilden die GKD-Projektoren im Jahr 3583 ein für alle Aktivatorträger tödliches Netz; die Aktivatoren werden in Bomben verwandelt und zur Explosion angeregt. Dem GKD-Feld fallen alle bisher nicht gefundenen Zellaktivatoren zum Opfer. Es vernichtet auch die Zellaktivatoren von Nos Vigeland und Runeme Shilter, während Terser Frascatis Aktivator schon im Zuge der GKD-Feld-Studiums zerstört wurde.

Ab dem Jahr 3580 sind die Ertruser dann Mitglied in der GAVÖK und später im Galaktikum.

In jüngerer Zeit sollte man Arlo Rutan und Lyndara nennen, der eine, Kommandant der Landetruppen der BASIS auf den Expeditionen zur Großen Leere, die andere Mitglied dieser Landetruppen und tragische Figur im »großen kosmischen Rätsel«. Von Anfang ihrer Entwicklung an – womöglich als Resultat der genetischen Eingriffe, die an den Kolonisten von Ertrus vorgenommen worden waren – betrachteten viele Ertruser sich als Kämpfer. Sie hielten es für ihre Lebensaufgabe, in jedweder Auseinandersetzung die Stärkeren zu sein.

Aus dieser Sicht muß man Lyndara und ihre Mitstreiter beurteilen. Gewiß, ihr Verhalten ist oft extrem und weckt Befürchtungen, es habe ein Rücksturz in die früheren Zeiten des barbarischen Militarismus stattgefunden. In Wirklichkeit aber sind Lyndara und ihre Ertruser Produkte eines genetisch-ethnologischen Experiments und langer Erziehung, was ihre Denkweise und die daraus resultierenden Handlungen erklären mag.

Auch im 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts NGZ besetzen Ertruser wichtige Positionen innerhalb der Milchstraße. So war zum Beispiel der Kommandant der MERLIN, Kalle Esprot, ein Ertruser. Da die MERLIN das Zentralmodul der GILGAMESCH war, hatte Kalle Esprot eine ganz besondere Position inne, denn er ist der einzige Modul-Kommandant der keinen Zellaktivatorchip trägt. In gewisser Weise kann er – bei Abwesenheit der Zellaktivatorträger – als Gesamtkommandant der GILGAMESCH angesehen werden. Vor diesem Hintergrund fällt es den Gos’Tussanii Imperator Bostichs natürlich leicht, eine juristisch spitzfindige Kette hin zu Ertrus zu schlagen, um ihre Operation Stiller Riese zu »begründen« ...


Rainer Castor